EuGH: EuG muss Einstufung der Staatsgarantie für Französisches Erdölinstitut als Beihilfe erneut überprüfen

Das Gericht der Europäischen Union muss erneut prüfen, ob die Europäische Kommission die unbeschränkte Garantie, die der französische Staat dem Institut Français du Pétrole implizit gewährt hat, zu Recht als staatliche Beihilfe eingestuft hat. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 19.09.2018 entschieden (Az.: C-438/16 P).

Französisches Erdölinstitut juristische Person des öffentlichen Rechts

Das Institut Français du Pétrole (Französisches Erdölinstitut, jetzt IFP Énergies nouvelles) ist eine französische öffentlich-rechtliche Einrichtung, die mit Aufgaben der Forschung und Entwicklung, der Fortbildung sowie der Information und Dokumentation betraut ist. Bis 2006 war das IFP eine unter der wirtschaftlichen und finanziellen Kontrolle der französischen Regierung stehende juristische Person des Privatrechts. Im Jahr 2006 wurde es in eine juristische Person des öffentlichen Rechts umgewandelt, und zwar in einen öffentlichen Wirtschaftsbetrieb (établissement public à caractère industriel et commercial, EPIC).

Kommission wertete IFP gewährte staatliche Garantie als Beihilfe

Im Jahr 2011 stellte die Kommission fest, dass dem IFP mit der Verleihung dieses Status eine unbeschränkte staatliche Garantie für sämtliche Tätigkeiten gewährt worden sei. Die Absicherung der wirtschaftlichen Tätigkeiten des IFP (zum Beispiel Technologietransfer und Auftragsforschung) durch diese Garantie stelle in weiten Teilen eine staatliche Beihilfe dar. Das IFP habe nämlich durch die implizit eingeräumte unbeschränkte staatliche Garantie im Rahmen seiner Beziehungen zu Lieferanten und Kunden einen tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, der selektiv sei, da für seine Wettbewerber, die den allgemeinen Insolvenzverfahren unterlägen, keine vergleichbare staatliche Garantie bestehe. Gleichwohl könne diese staatliche Beihilfe als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt würden.

EuG erklärte Beschluss der Kommission für nichtig

Frankreich und das IFP klagten vor dem Gericht der Europäischen Union auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission. Das EuG gab den Klagen statt und erklärte den Beschluss der Kommission insoweit für nichtig, als darin die mit dem Status des IFP als EPIC einhergehende Garantie als staatliche Beihilfe eingestuft worden war (BeckRS 2016, 81182). Da die Kommission mit dem Urteil des EuG nicht einverstanden ist, hat sie beim EuGH dessen Aufhebung beantragt.

EuGH: Vermutung spricht für Vorteile des IFP durch staatliche Garantie

Der EuGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an das Gericht zurückverwiesen. Die Kommission habe allein aufgrund des Umstands, dass dem IFP eine staatliche Garantie zugutekommt, vermuten dürfen, dass ein EPIC wie das IFP in seinen Beziehungen zu Kredit- und Finanzinstituten dank der mit seinem Status einhergehenden Garantie günstigere finanzielle Konditionen erlangt oder erlangen könnte, als sie auf den Finanzmärkten üblich sind, so der EuGH. Um sich auf diese Vermutung zu berufen, habe die Kommission also nicht die tatsächlichen Auswirkungen der in Rede stehenden Garantie nachweisen müssen.

EuG hielt Vermutung zu Unrecht für widerlegt

Zudem genüge der Umstand, dass der Begünstigte einer solchen Garantie in der Vergangenheit keinen tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteil aus seinem Status als EPIC gezogen hat, für sich genommen nicht, um die Vorteilsvermutung zu widerlegen. Das Gericht habe also in seinem Urteil zu Unrecht entschieden, dass die Vermutung aus diesem Grund widerlegt sei.

Möglicher Vorteil in Bezug auf Beziehungen zu Lieferanten und Kunden zu prüfen

Ferner hat das EuG nach Auffassung des Gerichtshofs rechtsfehlerhaft entschieden, dass die Vorteilsvermutung nur für die Beziehungen eines EPIC zu Kredit- und Finanzinstituten gelte. Zwar könne die Vermutung nicht automatisch auf die Beziehungen eines EPIC zu seinen Lieferanten und Kunden ausgeweitet werden. Es sei jedoch zu prüfen, ob der Vorteil, den das EPIC daraus ziehen kann, angesichts des Verhaltens der Lieferanten und Kunden dem Vorteil ähnelt, den sie aus ihren Beziehungen zu Kredit- und Finanzinstituten zieht. Insbesondere müsse die Kommission prüfen, ob das Verhalten der Lieferanten und Kunden auf dem betroffenen Markt es rechtfertigt, von einem ähnlichen Vorteil wie in den Beziehungen des EPIC zu den Kredit- und Finanzinstituten auszugehen.

EuG muss Kommissionsbeschluss erneut prüfen

Der EuGH verweist die Sache daher an das Gericht zurück, damit es den Beschluss der Kommission nach Maßgabe der in seinem Urteil dargelegten Erwägungen erneut prüft.

EuGH, Urteil vom 19.09.2018 - C-438/16

Redaktion beck-aktuell, 20. September 2018.