EuG: EZB versagte sechs französischen Banken zu Unrecht Ausnahmen bei Berechnung der Verschuldungsquote

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sechs französischen Kreditinstituten zu Unrecht eine Ausnahme bei der Berechnung der Verschuldungsquote verweigert, um bestimmte Risikopositionen aus Sparbüchern unberücksichtigt zu lassen. Dies hat das Gericht der Europäischen Union mit Urteilen vom 13.07.2018 entschieden und die entsprechenden EZB-Beschlüsse für nichtig erklärt. Der EZB seien Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler unterlaufen (Az.: T-733/16, T-745/16, T-751/16, T-757/16, T-758/16, T-768/16).

Verschuldungsquote dient Beurteilung der Eigenmittel von Banken

Nach der Finanzkrise von 2008 beschloss der europäische Gesetzgeber als neues Instrument zur Beurteilung der Eigenmittelausstattung der Kreditinstitute die Verschuldungsquote. Die Besonderheit der Verschuldungsquote liegt darin, dass sie nicht anhand des Ausmaßes der Risikopositionen der Kreditinstitute berechnet wird und dass grundsätzlich deren gesamte Investitionen in ihre Berechnung einfließen.

Bestimmte Risikopositionen von Berücksichtigung ausgenommen

Allerdings wurde eine Ausnahmeregelung eingefügt, nach der die zuständigen Behörden, darunter die Europäische Zentralbank (EZB), den Kreditinstituten gestatten können, bestimmte Risikopositionen bei der Berechnung der Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen.  

EZB verweigert sechs französischen Banken Ausnahmen für Risiken aus Sparbüchern

Sechs französische Kreditinstitute beantragten Ausnahmen für Risikopositionen, die sich aus Beträgen aus mehreren bei ihnen eröffneten Sparbüchern ergaben und auf eine französische Anstalt des öffentlichen Rechts übertragen worden waren, die Caisse des dépôts et consignations (CDC, Kasse für Einlagen und Hinterlegungen). Die EZB verweigerte die Genehmigung, diese gegenüber der CDC bestehenden Risikopositionen bei der Berechnung der Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen. Die sechs Kreditinstitute erhoben daraufhin beim EuG Nichtigkeitsklagen.  

EuG: Ausnahmen stehen im Ermessen der EZB  

Das EuG hat die Beschlüsse der EZB für nichtig erklärt. Das Gericht bestätigt zunächst, dass es bei Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen im Ermessen der EZB stehe, ob sie diese Nichtberücksichtigung tatsächlich genehmigt. Ein solches Ermessen ergebe sich eindeutig aus dem Wortlaut der Verordnung. Der EZB müsse eine Einzelfallabwägung möglich sein zwischen dem Grundgedanken der Verschuldungsquote und der Erwägung, dass bestimmte, nicht aus einer Investitionsentscheidung des betroffenen Kreditinstituts herrührende Risikopositionen mit einem besonders schwachen Risikoprofil für die Berechnung der Verschuldungsquote irrelevant seien und dabei unberücksichtigt bleiben könnten.

Ermessen fehlerhaft ausgeübt: Ablehnungsbegründung konterkariert Ausnahmeregelung

Anschließend moniert das EuG, dass der EZB bei der Ausübung ihres Ermessens Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler unterlaufen seien. Die EZB habe ihre Ablehnung mit Aspekten begründet, die den Risikopositionen, auf die sich die in der Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung beziehe, inhärent seien. Damit habe sie dieser Ausnahmeregelung ihre praktische Wirksamkeit genommen. Das Gericht ist außerdem der Auffassung, dass der grundsätzliche Standpunkt der EZB, dass sich aufgrund der Anpassungsfrist (also der zwischen den Anpassungen der jeweiligen Positionen der betroffenen Kreditinstitute und der CDC liegenden Frist) die mit einer übermäßigen Verschuldung verbundenen Risiken eher verwirklichen könnten, obwohl die EZB einräume, dass diese Anpassungsfrist kein Liquiditätsrisiko begründe, aufgrund seiner Allgemeinheit und angesichts des Fehlens einer detaillierten Prüfung der typischen Merkmale der regulierten Spareinlagen als offensichtlich fehlerhaft anzusehen sei.

EuG, Urteil vom 13.07.2018 - T-733/16

Redaktion beck-aktuell, 13. Juli 2018.