EuG: ECHA muss bei Anträgen auf Chemiestoffregistrierung Verfahren der REACH-Verordnung einhalten

Die Europäische Chemikalienagentur ECHA muss sich zur Beurteilung, ob ein Registrierungsdossier für einen chemischen Stoff die Anforderungen der REACH-Verordnung erfüllt, an das in der Verordnung vorgesehene Verfahren halten. Es ist ihr nicht gestattet, nationalen Vollzugsbehörden "Erklärungen über die Nichterfüllung der Anforderungen“ in Form eines einfachen Schreibens zu übermitteln. Dies hat das Gericht der Europäischen Union mit Urteil vom 08.05.2018 entschieden (Az.: T-283/15).

ECHA bewertete Registrierungsdossier als unzureichend

Die französische Gesellschaft Esso Raffinage (Esso), die einen in Industrieerzeugnissen verwendeten chemischen Stoff herstellt und vertreibt, beantragte bei der ECHA die Registrierung dieses Stoffes nach der REACH-Verordnung. Nachdem die ECHA das Registrierungsdossier von Esso Raffinage bewertet hatte, entschied sie am 06.11.2012, dass dieses die Anforderungen der REACH-Verordnung nicht erfülle, und gab dem Unternehmen auf, Angaben zu insbesondere einer Studie zur pränatalen Entwicklungstoxizität für Kaninchen zu machen. Da Esso die Entscheidung nicht anfocht, wurde diese bestandskräftig. Statt der verlangten Studie legte Esso Raffinage Unterlagen vor, die belegen sollten, dass die Studie an Kaninchen weder erforderlich noch gerechtfertigt sei.

ECHA informierte französische Behörden über Nichterfüllung der Anforderungen

Unter diesen Umständen übermittelte die ECHA den französischen Behörden, mit Kopie an Esso, eine auf Englisch in Form eines einfachen Schreibens verfasste "Erklärung über die Nichterfüllung der Anforderungen nach der REACH-Verordnung". Aus dieser Erklärung geht hervor, dass die ECHA namentlich die französischen Behörden ersuchte, die zur Durchführung ihrer Entscheidung erforderlichen Maßnahmen (die zur Durchführung von Sanktionen führen können) zu ergreifen. Esso beantragte beim EuG, das Schreiben der ECHA an die französischen Behörden für nichtig zu erklären.

EuG erklärt Schreiben der ECHA für nichtig

Das EuG hat Essos Klage stattgegeben und das Schreiben der ECHA für nichtig erklärt. Die Wirkungen des Schreibens der ECHA an die französischen Behörden gingen über eine bloße Mitteilung von Informationen an diese Behörden hinaus. Das Schreiben sei mehr als ein bloßes Fachgutachten oder eine bloße substantiierte objektive Schilderung der Gründe, aus denen Esso ihre Verpflichtungen aus der REACH-Verordnung nicht erfüllt habe. Es stelle vielmehr eine endgültige Bewertung der Unterlagen dar, die Esso eingereicht hätte, um insbesondere zu erläutern, warum sie die Durchführung einer zweiten Toxizitätsstudie ablehnte.

ECHA hat vorgesehenes Verfahren nicht eingehalten

Das fragliche Schreiben entspreche angesichts seines Inhalts einer Entscheidung, die die ECHA nach dem in der REACH-Verordnung vorgesehenen Verfahren hätte erlassen müssen. Mit der Nichteinhaltung des Verfahrens habe die ECHA eine Rechtsverletzung begangen, die die Nichtigerklärung ihres Schreibens gebiete. Möchte die ECHA feststellen, dass das Registrierungsdossier von Esso die Anforderungen der REACH-Verordnung nicht erfüllt, müsse sie unter Einhaltung des in der Verordnung vorgesehenen Verfahrens eine neue Entscheidung erlassen.

EuG, Urteil vom 08.05.2018 - T-283/15

Redaktion beck-aktuell, 8. Mai 2018.