EU-Strafverfahren gegen Ungarn und Polen werden fortgesetzt

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft will die Verfahren wegen der mutmaßlichen Verletzung von EU-Grundwerten in Polen und Ungarn fortführen. Die Verfahren, die im letzten Schritt sogar mit einem Entzug von EU-Stimmrechten enden könnten, sollen Ungarn und Polen dazu bewegen, die Unabhängigkeit der Justiz und die Meinungsfreiheit zu gewährleisten.

Bedingungen für Beendigung des Verfahrens nicht gegeben

“Wir haben auf Grundlage von sehr ausführlichen Berichten der Kommission zur Lage in Ungarn und zur Lage in Polen festgestellt, dass die Bedingungen zur Beendigung der Artikel-7-Verfahren nicht gegeben sind", sagte Europastaatsminister Michael Roth (SPD) am 22.09.2020 nach EU-Beratungen in Brüssel. Man werde die Verfahren deswegen fortsetzen und auch weitere Anhörungen planen.

Auch Flüchtlingssituation sowie Minderheitenrechte Thema

Zu den Fragen der Rechtsstaatlichkeit sind bei Ungarn auch Minderheitenrechte und die Situation von Migranten und Flüchtlingen ein Thema. Umstritten sind zum Beispiel Beschlüsse der ungarischen Regierung, die vorsehen, Hilfeleistung bei Asylanträgen unter Strafe zu stellen und das Recht auf Asylantrag einzuschränken.

Viele Mitgliedsstaaten gegenüber Strafverfahren skeptisch

Anhörungen im EU-Ministerrat sind Voraussetzung dafür, dass per Abstimmung offiziell festgestellt werden kann, dass in Ungarn die "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" von EU-Werten besteht. Dass es in absehbarer Zeit zu einem entsprechendem Votum kommt, ist allerdings nicht absehbar, da mittel- und osteuropäische Länder dem Strafverfahren kritisch gegenüberstehen und vier Fünftel der nicht vom Verfahren betroffenen Mitgliedstaaten zustimmen müssten.

Langer Weg bis zu Sanktionen

In einem nächsten Schritt müssten die EU-Partner Ungarns und Polens dann sogar einstimmig feststellen, dass eine "schwerwiegende und anhaltende Verletzung" der Werte vorliegt. Erst dann könnten Sanktionen beschlossen werden.

Redaktion beck-aktuell, 23. September 2020 (dpa).