EU-Kommission erhöht Druck auf Polen zum Schutz der Unabhängigkeit des Obersten Gerichts

Im Streit über die Zwangspensionierung von Richtern am Obersten Gericht in Polen hat die Europäische Kommission am 14.08.2018 die nächste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet und Polen aufgefordert, innerhalb eines Monats "die erforderlichen Maßnahmen" zu ergreifen, um EU-Rechtsverstöße durch das Gesetz über das Oberste Gericht abzustellen. 

Absenkung des Pensionsalters für Richter am Obersten Gericht

Laut Kommission sieht das Gesetzt sieht vor, das Pensionsalter für Richter am Obersten Gericht von 70 auf 65 Jahre zu senken. Damit könnten 27 der 72 derzeit amtierenden Richter zwangsweise in den Ruhestand geschickt werden. Diese Maßnahme gelte auch für den Ersten Präsidenten des Obersten Gerichts, dessen Amtszeit laut polnischer Verfassung sechs Jahre vorzeitig beendet würde.

Kriterien für Verlängerungsentscheidungen fehlen

Nach dem Gesetz könnten derzeit amtierende Richter, die von der Herabsetzung des Pensionsalters betroffen seien, beim Präsidenten der Republik bis zu zwei Mal eine Verlängerung ihrer Amtszeit um drei Jahre beantragen. Nach welchen Kriterien der Präsident entscheide, bleibe jedoch offen, und ablehnende Bescheide könnten nicht gerichtlich angefochten werden. Die Einführung einer Konsultation des Landesrats für Gerichtswesen sei kein wirksamer Schutz. Die Stellungnahme des Landesrats für Gerichtswesen sei nicht bindend und beruhe auf unklaren Kriterien. Darüber hinaus setze sich der Landesrat für Gerichtswesen nach der Reform vom 08.12.2017 nunmehr aus richterlichen Mitgliedern zusammen, die vom polnischen Parlament ernannt würden, was den europäischen Standards für die Unabhängigkeit der Justiz zuwiderlaufe.

EU-Kommission rügt Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit

Die Kommission hält auch nach der Antwort der polnischen Behörden auf ihr Aufforderungsschreiben vom 02.07.2018 daran fest, dass das polnische Gesetz über das Oberste Gericht gegen EU-Recht verstoße, da es den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und insbesondere auch der Unabsetzbarkeit von Richtern untergräbt. Sie vertritt daher nach wie vor die Auffassung, dass Polen seinen Verpflichtungen nach Art. 19 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union in Verbindung mit Art. 47 der EU-Grundrechtecharta nicht nachkomme. Ergreifen die polnischen Behörden keine angemessenen Maßnahmen, kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Redaktion beck-aktuell, 14. August 2018.