EU-Kommission: Drei Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland

Die Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on hat gegen Deutsch­land zwei Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet sowie in einem be­reits lau­fen­den Ver­fah­ren be­schlos­sen, eine mit Grün­den ver­se­he­ne Stel­lung­nah­me zu über­mit­teln. Dabei geht es um die Einführung von Aufenthaltstiteln in Kartenform mit biometrischen Daten, den Zugang zu einem Rechtsbeistand sowie um die Entsorgung radioaktiver Abfälle. Deutschland hat nun jeweils zwei Monate Zeit, um auf die Vorwürfe zu reagieren.

Richtlinie macht Vorgaben zu Entsorgung radioaktiver Abfälle

Radioaktiver Abfall entsteht bei der Stromerzeugung in Kernkraftwerken, aber auch durch andere Verwendungen radioaktiven Materials in Medizin, Forschung, Industrie und Landwirtschaft. Das bedeutet, dass in allen Mitgliedstaaten radioaktive Abfälle anfallen. Die EU-Richtlinie über abgebrannte Brennelemente und radioaktive Abfälle (RL 2011/70/Euratom) liefert einen Gemeinschaftsrahmen für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, damit ein hohes Sicherheitsniveau gewährleistet ist und künftigen Generationen keine unangemessenen Lasten aufgebürdet werden. So sind die Mitgliedstaaten insbesondere verpflichtet, nationale Programme für die Entsorgung aller abgebrannten Brennelemente und radioaktiven Abfälle, die in ihrem Hoheitsgebiet von der Erzeugung bis zur Endlagerung anfallen, zu erstellen und durchführen. Ziel ist es, die Arbeitskräfte und die Bevölkerung vor den Gefahren ionisierender Strahlung zu schützen.

Deutschland muss sein Programm nachbessern

Nach Ansicht der Kommission stehen die von Deutschland und Lettland gemeldeten nationalen Programme nicht im Einklang mit bestimmten Anforderungen der Richtlinie. Nachdem die Kommission zuletzt Vertragsverletzungsverfahren gegen die beiden Länder eingeleitet hatte, hat sie nun beschlossen, in einer zweiten Stufe mit Gründen versehene Stellungnahmen zu übersenden. Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate Zeit, um die von der Kommission ermittelten Mängel zu beheben. Sollten sie keine zufriedenstellende Antwort geben, kann die Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen diese Länder einreichen.

Neues Kartenformat für Aufenthaltstitel nicht ausreichend umgesetzt 

An Deutschland und Bulgarien hat die Kommission Aufforderungsschreiben übermittelt, weil die Mitgliedsstaaten das neue Kartenformat für Aufenthaltstitel von Drittstaatsangehörigen (VO (EG) Nr. 1030/2002) nicht beziehungsweise nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben. Zur Verhinderung von Fälschungen wurde die Verordnung im Jahr 2017 geändert und Aufenthaltstitel in Kartenform mit verbesserten Sicherheitsmerkmalen eingeführt, die auf biometrischen Daten beruhen. Bulgarien stellt die neuen Aufenthaltstitel, die bis zum 10.07.2020 eingeführt werden mussten, derzeit nicht aus. Deutschland stellt in bestimmten Fällen noch immer Blaue Karten EU und Karten für unternehmensinterne Transfers in Aufkleberform aus, mit unbegrenzter Gültigkeit zur Vermeidung außergewöhnlicher Härten. Der Aufkleber enthält keine Gesichtserkennungs- oder Fingerabdruckdaten und erschwert die Überprüfung der Identität des Inhabers. Die beiden Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate Zeit, um auf die Argumente der Kommission zu reagieren.

EU-Vorgaben zu Recht auf Zugang zu Rechtsbeistand umzusetzen

Schließlich hat die Kommission beschlossen, Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, Belgien, Tschechien und Frankreich einzuleiten, weil sie die EU-Vorschriften über den Zugang zu einem Rechtsbeistand und das Recht auf Kommunikation bei Freiheitsentzug (RL (EU) 2013/48) nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt haben. Die Richtlinie ist Teil des EU-Rechtsrahmens für faire Verfahren, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Rechte von Verdächtigen und Beschuldigten ausreichend geschützt werden. Nach Auffassung der Kommission bleiben einige der von den vier Mitgliedstaaten gemeldeten nationalen Umsetzungsmaßnahme hinter den Anforderungen der Richtlinie zurück. So hat die Kommission insbesondere einige Mängel in Bezug auf mögliche Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand sowie von dem Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug festgestellt. Die Mitgliedstaaten müssen nun binnen zwei Monaten reagieren und die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der von der Kommission ermittelten Mängel ergreifen.

Redaktion beck-aktuell, 24. September 2021.