EGMR: Psychiatrie-Opfer scheitert mit erneuter Beschwerde gegen Deutschland

Eine Frau, die als junge Erwachsene knapp zwei Jahre zu Unrecht in einer Bremer Psychiatrie eingesperrt war, ist vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit ihrer erneuten Beschwerde gegen Deutschland gescheitert. Weil die Beschwerde keine neuen Rechtsfragen aufwerfe, sei sie zum Teil als unzulässig abgewiesen worden, teilte das Gericht am 19.07.2018 mit (Az.: 486/14).

Bundesrepublik 2005 zu 75.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt

Im Grundsatz hatte die Frau schon im Jahr 2005 von den Straßburger Richtern Recht bekommen. Diese urteilten damals, dass die Zwangsunterbringung der Beschwerdeführerin in der Privatklinik ihre Menschenrechte verletzt hatte. Zwischen 1977 und 1979 wurde die damals 18-Jährige ohne richterlichen Beschluss und gegen ihren Willen in der Psychiatrie festgehalten – aufgrund einer Fehldiagnose. Der deutsche Staat musste der Frau nach dem Urteil 75.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Geschädigte begehrt weitere Schmerzensgeldzahlungen

In ihrem neuen Verfahren in Straßburg wehrte sich die heute 59-Jährige dagegen, dass deutsche Gerichte sich anschließend weigerten, ihren Fall neu aufzurollen. Sie wollte weitere Schmerzensgeldzahlungen erstreiten. Der Gerichtshof sei nicht dafür zuständig, die Umsetzung seiner Urteile zu prüfen, sondern das Ministerkomitee des Europarats, stellten die Richter nun fest und wiesen diesen Teil der Beschwerde zurück. Dem Komitee liege der Fall vor.

Angebotene Entschädigung wegen verweigerter Rechtshilfe ausreichend

Das zweite Anliegen der Beschwerdeführerin wurde gestrichen: Sie hatte beanstandet, dass ihr für ihren Kampf um Schadenersatz und Schmerzensgeld Rechtshilfe verweigert worden sei. Da aber der deutsche Staat ihr deswegen bereits 17.000 Euro Entschädigung angeboten habe, bestehe kein Anlass, sich damit zu beschäftigen, teilte das Gericht mit.

Schwere körperliche Schäden aufgrund Behandlung in Psychiatrie

Die Entscheidung des EGMR markiert das vorläufige Ende einer jahrelangen Gerichts-Odyssee der Frau. Am 19.07.2018 war sie für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, verwies aber per E-Mail auf frühere Medienberichte, in denen sie sich zu ihrem Schicksal geäußert hatte. Demnach brachte ihr überforderter Vater sie erstmals als 15-Jährige in eine Klinik, weil er glaubte, sie leide an einer Psychose – der Beginn eines nach ihren Angaben jahrelangen Martyriums in mehreren deutschen Psychiatrien. Sie sei misshandelt, an ihr Bett oder die Heizung gefesselt und mit Medikamenten behandelt worden, die sie wegen einer früheren Kinderlähmung nie hätte bekommen dürfen. Von der Behandlung trug sie schwere körperliche Schäden davon. Jahrzehnte später kam ein Gutachten zu dem Schluss, dass sie nie an einer Psychose gelitten hatte. Die Bremer Privatklinik hat heute neue Betreiber.

EGMR, Entscheidung vom 19.07.2018 - 486/14

Redaktion beck-aktuell, 19. Juli 2018 (dpa).