EGMR fordert von Türkei Stellungnahme zu Festnahmen von Richtern und Staatsanwälten

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fordert von der Türkei Auskunft über die Inhaftierung von mehr als 540 Richtern und Staatsanwälten, die nach dem Putschversuch von 2016 erfolgt waren.

Sechs Monate Zeit für Stellungnahme

Das in Straßburg ansässige Gericht möchte von der Türkei unter anderem wissen, ob es ausreichend plausible Verdachtsgründe gab, um die Juristen in Untersuchungshaft zu nehmen. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, ob es nach der Haftzeit Entschädigungen gab. Einem EGMR-Sprecher zufolge hat die Türkei bis zu sechs Monate Zeit, um Stellung zu nehmen. Türkische Staatsanwälte warfen den Justizmitarbeitern Verbindungen zur Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen und damit Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor. Die Regierung macht Gülen für den Putschversuch verantwortlich.

500.000 Festnahmen seit 2016

Seit dem Putschversuch geht die türkische Regierung intensiv gegen angebliche Terrorverdächtige, aber auch Oppositionelle vor. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Mitte April in Ankara gesagt, dass insgesamt mehr als 4.000 Angestellte des Justizsystems des Amtes enthoben worden seien. Nach Angaben aus dem März sind seit 2016 insgesamt 500.000 Menschen wegen angeblicher Gülen-Verbindungen festgenommen worden - rund 30.000 sollen weiter in Haft sein.

Über 3.000 Beschwerden beim EGMR anhängig

Die Prozesse gegen die Betroffenen dauern an. Nach Angaben des EGMR sind derzeit rund 3.250 Beschwerden anhängig, die mit dem Putschversuch und dessen Folgen zu tun haben. Von Juli 2016 bis November 2018 seien in dem Zusammenhang bereits 29.500 Fälle geprüft und dann gegebenenfalls entschieden worden. Die Maßnahmen der türkischen Regierung stoßen international auf Kritik. Vergangene Woche hatte die EU in einem Fortschrittsbericht über die Reformen in Ländern, die der EU beitreten wollen, die Türkei für "ernste Rückschritte bei Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten" gerügt.

Redaktion beck-aktuell, 4. Juni 2019 (dpa).