DAV: Zugang zu anwaltlicher Beratung trotz Kontaktbeschränkungen weiterhin sichergestellt

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt die Entscheidung von Bund und Ländern, nur großflächige Kontaktbeschränkungen anzuordnen, um die Verbreitung des Covid-19-Virus einzudämmen. Durch diese Regelungen werde es den meisten Bürgerinnen und Bürgern weiterhin ermöglicht, einen persönlichen Zugang zu anwaltlicher Beratung zu erhalten. Dies sei auch in der gegenwärtigen Situation von großer Bedeutung, da der Zugang zu digitalen Kommunikationswegen nicht allen Rechtssuchenden zur Verfügung stehe, erklärte die Präsidentin des DAV, Edith Kindermann, am 24.03.2020.

DAV befürchtet Zunahme der häuslichen Gewalt

Der DAV befürchtet, dass es auf Grund der ungewohnten dauerhaften Nähe innerhalb von Beziehungen vermehrt zu Fällen häuslicher Gewalt kommt. Die DAV-Präsidentin warnt: “In diesen Fällen muss kurzfristig anwaltliche Hilfe zur Verfügung stehen, um einer Eskalation der häuslichen Situation Einhalt zu gebieten.“ Telefonate seien nur begrenzt möglich, da das gewalttätige Familienmitglied in der Regel mithöre. Der Zugang zu anwaltlichem Rat und zur Vertretung sei zudem wichtig, weil Bürgerinnen und Bürger die Rechtsantragsstellen bei den Gerichten vielfach nicht mehr persönlich aufsuchen können. In solchen Fällen seien Eilverfahren notwendig, für die eidesstattliche Versicherungen eingereicht werden müssen. Die meisten Betroffenen seien damit überfordert. Der Zugang zu anwaltlichem Rat führe auch zur Entlastung der Gerichte, die in diesen Tagen in besonderer Weise gefordert seien, ihren Aufgaben im System der Rechtspflege in Deutschland und damit beim Zugang zum Recht nachzukommen.

Bei Ausgangsbeschränkungen muss Grund des Anwaltsbesuch nicht genannt werden

In einzelnen Bundesländern sind statt Kontaktbeschränkungen Ausgangsbeschränkungen vereinbart worden. Deren Einhaltung überwachen Ordnungsbehörden und Polizei. Wer die Wohnung verlässt, muss “triftige Gründe“ nennen. Kindermann weist darauf hin, dass hier der Grundrechtsschutz zu beachten ist: “Sucht jemand persönlich eine Anwältin oder einen Anwalt auf, dürfen die Behörden nicht nach dem Grund fragen“. Das gelte sowohl bei den Anforderungen an den “triftigen Grund“ als solchen als auch bei dem in einzelnen Allgemeinverfügungen anzutreffenden “unaufschiebbaren Grund“. So dürfe etwa derjenige, der eine Anwältin oder einen Anwalt wegen des Vorwurfs einer Straftat oder wegen einer Beratung im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige aufsuchen will, nicht gehalten sein, den Grund darlegen zu müssen. Auch verböten sich Anrufe in den Kanzleien mit der Frage, ob bereits ein Termin vereinbart worden sei, da sich die anwaltliche Verschwiegenheit auch auf die Frage beziehe, zu wem ein Mandat bestehe.

Rechtssuchende können nicht auf Verschiebung des Anwaltstermins verwiesen werden

“Ob es sich um einen unaufschiebbaren Termin handelt oder nicht, wird für den Rechtssuchenden selbst häufig erst auf Grund der anwaltlichen Beratung erkennbar werden“, so Kindermann weiter. Es sei zum Beispiel kein Allgemeinwissen, dass für die Ausschlagung einer Erbschaft eine sechswöchige Frist besteht oder dass man gegebenenfalls ein Nachlassinventar errichten muss. Gleiches gelte für die Fristen im Zusammenhang mit dem Widerruf von Willenserklärungen oder die unverzügliche Anfechtung einer Willenserklärung. Alle materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Fristen für einen nicht bestimmten Zeitraum auszusetzen, sei keine Lösung. Diese in den Gesetzen bestimmten Fristen seien kein Selbstzweck, sondern sorgten insbesondere in zivilrechtlichen Angelegenheiten für Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zwischen den Parteien. Pauschale Lösungen, die dies aus dem Blick verlören, schadeten daher mehr als sie nutzten.

Redaktion beck-aktuell, 24. März 2020.