DAV kritisiert Geordnete-Rückkehr-Gesetz

 

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat durch seinen Ausschuss Migrationsrecht zum Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (Geordnete-Rückkehr-Gesetz) Stellung genommen. Er kritisiert, dass zur "Durchsetzung der Ausreisepflicht" weitere Tatbestände von Anspruchseinschränkungen eingeführt werden. Die Gewährung von existenzsichernden Leistungen werde von der Erfüllung diverser Mitwirkungspflichten abhängig gemacht, auch wenn noch gar keine Ausreisepflicht besteht. Der Verstoß gegen Mitwirkungspflichten habe indes keinen Bezug zur Feststellung des Bedarfs oder zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit. Der Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum dürfe nicht von der Möglichkeit zur Rückkehr in das Herkunftsland abhängig gemacht werden.

DAV hält für Niederlassungserlaubnis geplante Bedingung für sinnlos

Der Gesetzgeber möchte mit der Neuregelung des § 26 Abs. 3 AufenthG die Erteilung der Niederlassungserlaubnis wieder davon abhängig machen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) der Ausländerbehörde die Mitteilung macht, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme nicht vorliegen, soweit die Flüchtlingseigenschaft in den Jahren 2015 bis 2017 zuerkannt worden ist. Für die Verzögerung der Erteilung der Niederlassungserlaubnis an gut oder sogar herausragend integrierte Flüchtlinge bestehe kein Regelungsbedürfnis, so der DAV.

DAV hält Regelungen zu Abschiebungsverbot für bedenklich

Die Anwendbarkeit der Regelungen von § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Prüfung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist – ebenso wie die Erweiterung des § 60a Abs. 2c AufenthG – teilweise verfassungs- und europarechtswidrig. Das Abschiebungsverbot beziehungsweise Vollstreckungshindernis bei drohender Gefahr für Leib und Leben folge unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 und 2, 1 Abs. 1 GG und müsse in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren wirksam geltend gemacht werden können. Letzteres scheine durch die beabsichtigen Änderungen jedoch gefährdet.

Konkretisierung der Bedingungen für Passpflicht-Erfüllung begrüßt

Der DAV begrüßt grundsätzlich die im Entwurf des § 60b AufenthG erkennbaren Bestrebungen, die Bedingungen für die Erfüllung der Passpflicht gesetzlich zu konkretisieren. Dies diene der Reduzierung der Rechtsunsicherheit, die in diesem Bereich derzeit herrscht.

Vorgesehene Regelung jedoch unpraktikabel

Allerdings würden die dem Gesetzgeber durch das Verfassungsrecht, das EU-Recht sowie die einfachrechtlichen Vorgaben gezogenen Grenzen überschritten. Die vorgesehene Regelung erweise sich zudem als nicht zielführend und unpraktikabel. Die nunmehr geplante Regelung sei im Hinblick auf die Abwägung des staatlichen Interesses an einer Passbeschaffung mit den Interessen und Möglichkeiten vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer unzureichend. Dies gilt nach Meinung des DAV umso mehr, als bereits jetzt § 48 Abs. 3 AufenthG Ausländer ohne Pass dazu verpflichtet, an der Beschaffung von Identitätspapieren mitzuwirken. Die Wiederholung und weitere Ausführungen zur Zumutbarkeit in § 60b Abs. 3 AufenthG schafften keine Klarheit und lieferten keine Lösungsansätze für die mit der Passbeschaffung bereits heute verbundenen erheblichen Probleme. Es stehe vielmehr zu befürchten, dass die Mitwirkungspflichten als bloßes Sanktionsmittel eingesetzt werden, ohne dass das eigentliche Ziel der Beschaffung eines Passes tatsächlich gefördert würde.

Verschärfungen zur Abschiebungshaft zum Teil mit Rückführungsrichtlinie unvereinbar

Der Gesetzentwurf enthalte erneut Verschärfungen zur Abschiebungshaft gegenüber ausreisepflichtigen Ausländern. Nach aktuellem Rechtsstand seien die geplanten Änderungen zum Teil mit der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115 EG) nicht vereinbar: Das einzige legitime Ziel der Inhaftnahme bestehe nach Maßgabe der Rückführungs-RL in der Vorbereitung der Rückkehr und/oder der Durchführung der Abschiebung, insbesondere wenn 1) Fluchtgefahr besteht oder 2) die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren durch die rückzuführende Person umgangen oder behindert wird, betont der DAV. Liegen Gründe für eine Inhaftnahme vor und können in einem bestimmten Fall (als letztes Mittel) keine weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden, so seien die Mitgliedstaaten berechtigt, eine Inhaftnahme für den notwendigen Zeitraum zu veranlassen (und sollten dies auch tun), um sicherzustellen, dass das Rückführungsverfahren im Einklang mit den Bestimmungen des Art. 8 der Rückführungs-RL erfolgreich durchgeführt werden kann.

Verkürzung effektiven Rechtsschutzes gegen Befristungen von Aufenthaltserlaubnissen in der Kritik

Gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG-E sollen Widerspruch und Klage gegen die Befristung einer Aufenthaltserlaubnis keine aufschiebende Wirkung haben (Art. 1 Ziff. 28, S.17). Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung werde der effektive Rechtsschutz zunächst auf das summarische Eilverfahren verkürzt, gibt der DAV zu bedenken. Dies sei besonders in Verfahren nachträglicher Verkürzung des Aufenthaltstitels bedenklich. Durch die vorgeschlagene Regelung werde die Verwaltungsgerichtsbarkeit zusätzlich mit Eilverfahren belastet. Angesichts der bereits bestehenden hohen Anforderungen an die Verwaltungsjustiz sei deshalb damit zu rechnen, dass sich die vorgeschlagene Neuregelung negativ auf die Länge der Verfahrensdauern insgesamt auswirkt.

Kritik an zu kurzer Frist für Stellungnahme

Außerdem kritisiert der DAV die unverhältnismäßig kurze Frist für die Abgabe der Stellungnahme von vier Tagen. Eine umfassende Stellungnahme zu einem Gesetzentwurf binnen weniger Tage sei nicht möglich. Aufgrund der äußerst kurzen Frist zur Stellungnahme habe der Ausschuss Migrationsrecht, dessen Mitglieder alle ehrenamtlich tätig sind, nicht zu allen Teilen des Gesetzentwurfs Stellung nehmen können. Die kurze Fristsetzung lasse vor allem vor dem Hintergrund, dass eine besondere Eilbedürftigkeit fehlt, Zweifel daran aufkommen, ob seitens der gesetzgebenden Institutionen überhaupt Fachverstand nachgefragt werden soll. 

Redaktion beck-aktuell, 18. April 2019.