DAV gegen Abschaffung der Weisungsbefugnisse bei EU-Haftbefehl

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) unterstützt den Referentenentwurf zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften, der sich grundsätzlich für die Beibehaltung des externen Weisungsrechts der Justizminister gegenüber den Staatsanwaltschaften ausspricht. Allerdings möchte der Verband auch die Weisungsbefugnisse bezüglich des Europäischen Haftbefehls beibehalten und kritisiert den Entwurf insoweit.

Quasi-richterliche Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft widerspricht Gewaltenteilung

Würde das externe Weisungsrecht der Justizminister abgeschafft, wären Staatsanwaltschaften institutionell unabhängig, gibt Rechtsanwältin Gül Pinar vom Ausschuss Strafrecht des DAV zu bedenken. Sie könnten sich dann darauf berufen, dass auch ihre Entscheidungen unabhängig seien – und eine richterliche Kontrolle könnte damit nicht mehr notwendig sein. Die Rechtsanwältin weist in diesem Zusammenhang in der Stellungnahme auf die Gefahr hin, dass daraus eine quasi-richterliche Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft abgeleitet werden könnte, wenn der Gesetzgeber Funktionen der ermittelnden Staatsanwaltschaft und der rechtsprechenden Gewalt nicht sauber trenne. Das wiederum könne das System der Gewaltenteilung ins Wanken bringen und die Zuordnung der Staatsanwaltschaft zur Exekutive in Frage stellen. "Die Staatsanwaltschaft ist aber nicht Teil der Judikative," so Pinar.

Klare Anforderungen an Weisungen

Dass dem Gesetzentwurf nach Weisungen schriftlich zu erteilen und zu begründen sind, begrüßt der DAV ebenfalls. "Weisungen sollten schriftlich erteilt werden müssen – und das nicht nur, damit die Angewiesenen eine Grundlage für eventuelle Einwände haben", heißt es in der Stellungnahme. Es gehe auch darum, parlamentarische Kontrolle zu ermöglichen. Nach Auffassung des DAV besteht auch kein Handlungsdruck. Von dem Weisungsrecht werde nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. "Wir haben in der Bundesrepublik keine politische Staatsanwaltschaft", so die DAV-Expertin.

Eile kein ausreichendes Argument für Wegfall richterlicher Kontrolle beim EU-Haftbefehl

Eine andere Regelung des Gesetzentwurfs will der DAV hingegen nicht mittragen, nämlich die Abschaffung der Weisungsbefugnisse bezüglich Entscheidungen nach dem Achten bis Elften und Dreizehnten Teil des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, insbesondere den Europäischen Haftbefehl. Ein Europäischer Haftbefehl sei – wie der nationale Haftbefehl auch – zwar ein Instrument, dem eine besondere Eilbedürftigkeit inhärent sei. Diese Eilbedürftigkeit sollte aber nicht dazu führen, dass der Europäische Haftbefehl zukünftig wieder durch die ermittelnde Staatsanwaltschaft selbst angeordnet werden kann, nur weil das deutlich schneller geht, als wenn noch ein Richter in die Entscheidung einzubinden ist. Bei einer derart freiheitsbeschränkenden Ermittlungsmaßnahme sei eine richterliche Kontrolle zwingend notwendig.

Kontrolle der Staatsanwaltschaft auch bei EU-Haftbefehlen

Nach dem Entwurf des Bundesjustizministeriums, der am 11.01.2021 dem Deutschen Anwaltverein zur Stellungnahme übersandt wurde, soll der Erlass eines Europäischen Haftbefehls wieder vollständig in Händen der Staatsanwaltschaft liegen. Das ministerielle Weisungsrecht solle somit auf dem Papier beibehalten und für Strafverfahren, die einen Europäischen Haftbefehl erfordern, ausgehöhlt werden, moniert Rechtsanwältin Pinar die Regelungen des Entwurfs und kommentiert dazu: "Es ist nicht zu verstehen, warum ausgerechnet in europäischen Verfahren eine innerstaatlich parlamentarische Kontrolle der Staatsanwaltschaft abgeschafft werden soll."

DAV hält praktizierte deutsche Regelung für ausreichend

Das Europarecht verpflichte den Gesetzgeber nicht, die Stellung der deutschen Staatsanwaltschaft und ihre Befugnisse bei der Ausstellung von Europäischen Haftbefehlen zu überprüfen, so Pinar weiter. Der seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Mai 2019 praktizierte Umgang mit Europäischen Haftbefehlen sei nicht nur dem deutschen Recht immanent, sondern auch europarechtskonform. Hieran ändert auch die neue Rechtsprechung des EuGH zur "vollstreckenden Justizbehörde" nichts. Auch hinsichtlich des Begriffs der "vollstreckenden Justizbehörde" (in Art. 6 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten) hat der EuGH klargestellt, dass hierunter durchaus ein Gericht oder ein Richter verstanden werden könne.

Redaktion beck-aktuell, 9. Februar 2021.