BVerwG: Rechtsstreit um Steinkohlekraftwerk Lünen an OVG Münster zurückverwiesen

Das Oberverwaltungsgericht Münster muss erneut über die Klage des Naturschutzvereins BUND gegen das Steinkohlekraftwerk Lünen entscheiden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 15.05.2019 entschieden. Das OVG habe hinsichtlich der in die FFH-Verträglichkeitsprüfung einzubeziehenden Projekte einen falschen Ansatz gewählt und müsse deshalb unterbliebene Feststellungen nachholen (Az.:7 C 27.17).

Umwelt-Klage gegen Betrieb des Steinkohlekraftwerks Lünen 

Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen einen dem beigeladenen Energieversorgungsunternehmen erteilten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid sowie die 1. und 7. Teilgenehmigung für das Steinkohlekraftwerk Lünen, das mittlerweile errichtet ist und im Regelbetrieb läuft. 

OVG wies Klage ab - Zeitpunkt der Einreichung prüffähigen Genehmigungsantrags für Umfang der FFH-Verträglichkeitsprüfung maßgeblich

Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage ab. Bei der Prüfung, ob das Steinkohlekraftwerk im Zusammenwirken mit anderen Projekten zu Beeinträchtigungen von Natura 2000-Gebieten führen könne, sei auf den Zeitpunkt der Einreichung eines prüffähigen Genehmigungsantrags abzustellen. Diejenigen Projekte, die später beantragt, aber inzwischen genehmigt worden seien, blieben danach unberücksichtigt. Das der Bestimmung des Einwirkungsbereichs der geplanten Anlage und damit des Untersuchungsraums der Verträglichkeitsprüfung dienende Abschneidekriterium sei in Höhe von nicht mehr als 0,5% der Grenzbelastung (Critical Loads) für den jeweils in Betracht kommenden Lebensraumtyp zugrunde zu legen. Bei der Prüfung der Zusatzbelastung müssten alle Projekte seit Unterschutzstellung der Natura 2000-Gebiete im Dezember 2004 einbezogen werden. Gegen das OVG-Urteil legte der Kläger Revision ein.

BVerwG: Alle bereits genehmigten Projekte einzubeziehen

Das BVerwG hat das vorinstanzliche Urteil aufgehoben. Bei der Einbeziehung weiterer Vorhaben in die FFH-Verträglichkeitsprüfung seien grundsätzlich alle Projekte zu berücksichtigen, für die eine Genehmigung bereits erteilt worden sei. Der vom OVG gewählte Ansatz, bei der Summationsbetrachtung diejenigen Projekte unberücksichtigt zu lassen, die zwar inzwischen genehmigt, aber später beantragt worden seien, verstoße gegen die bei der Auslegung und Anwendung der nationalen Vorschriften zu berücksichtigenden unionsrechtlichen Vorgaben.

OVG muss unterbliebene Feststellungen nachholen

Da das OVG zu der Belastung aufgrund von Stickstoffeinträgen durch einen in die Summationsbetrachtung einzubeziehenden Kupferrecyclingbetrieb, der vor dem Kraftwerk Lünen genehmigt worden sei, keine Feststellungen getroffen habe, müssten diese nun nachgeholt werden. 

Keine Verschärfung des Abschneidekriteriums bei kumulativen Belastungen

Bei der erneuten Entscheidung habe das OVG zu berücksichtigen, dass für eine Modifizierung des naturschutzfachlich allgemein anerkannten projektbezogenen Abschneidekriteriums von 0,3 kg/N/ha/a auch bei kumulativen Belastungen kein Anlass bestehe. Ebenso wenig bestehe im Rahmen der Prüfung, ob ein Natura 2000-Gebiet einer schleichenden Verschlechterung durch Bagatelleinträge unterliege, stets die Notwendigkeit, bis auf den Zeitpunkt der Unterschutzstellung zurückzugehen.

BVerwG, Urteil vom 15.05.2019 - 7 C 27.17

Redaktion beck-aktuell, 15. Mai 2019.