BVerwG: Kreisangehörige Gemeinden müssen vor Festlegung des Kreisumlagesatzes nicht förmlich angehört werden

Kreisangehörige Gemeinden müssen vor Erlass einer Satzungsbestimmung über die Höhe des Kreisumlagesatzes nicht förmlich angehört werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29.05.2019 entschieden. Das BVerwG hat die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die Prüfung nachholt, ob die finanzielle Mindestausstattung der klagenden Gemeinde unterschritten wird (Az.: 10 C 6.18).

Gemeinden vor Festlegung des Kreisumlagesatzes nicht förmlich angehört

Im zugrundeliegenden Fall beschloss der Landkreis Nordwestmecklenburg Februar 2013 seine Haushaltssatzung für das Jahr 2013 und legte darin nach § 23 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern den Kreisumlagesatz auf 43,67% fest, ohne die davon betroffenen Gemeinden vorher förmlich anzuhören. Im September 2013 setzte die beklagte Landrätin gegenüber der klagenden Gemeinde die Kreisumlage für das Jahr 2013 fest. Das Verwaltungsgericht hob den Kreisumlagebescheid auf.

Erneute Festlegung nach förmlicher Anhörung 

Dagegen legte der Landkreis Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens legte der Landkreis nach förmlicher Anhörung seiner kreisangehörigen Gemeinden den Kreisumlagesatz für das Haushaltsjahr 2013 erneut auf 43,67% fest. 

OVG: Änderungssatzung sowie ursprüngliche Festlegung nichtig

Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung zurück. Die Änderungssatzung sei nichtig, weil sie eine Nachtragshaushaltssatzung darstelle und keiner der in der Kommunalverfassung für Mecklenburg-Vorpommern abschließend aufgezählten Fälle vorliege, in denen eine solche ergehen dürfe. Die ursprüngliche Satzungsbestimmung über die Festlegung des Kreisumlagesatzes sei ebenfalls nichtig, weil die kreisangehörigen Gemeinden vor ihrem Erlass nicht förmlich angehört worden seien.

BVerwG: Kreis muss Finanzbedarf der betroffenen Gemeinden berücksichtigen

Das BVerwG hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OVG zurückverwiesen. Das OVG gehe zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass das Selbstverwaltungsrecht der klagenden Gemeinde nicht nur verletzt wird, wenn die Erhebung der Kreisumlage dazu führt, dass deren finanzielle Mindestausstattung unterschritten wird, sondern auch dann, wenn der Kreis bei der Erhebung der Kreisumlage seine eigenen finanziellen Belange gegenüber den finanziellen Belangen der kreisangehörigen Gemeinden einseitig und rücksichtslos bevorzugt. Bei Festsetzung der Kreisumlage müsse der Kreis daher nicht nur seinen eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der von der Kreisumlage betroffenen Gemeinden berücksichtigen. 

Grundgesetz gibt Verfahren aber nicht vor - Vorrangig Landesgesetzgeber zuständig

Laut BVerwG lässt sich dem Grundgesetz aber nicht entnehmen, auf welche Weise dies zu erfolgen habe. Es obliege daher vorrangig dem Landesgesetzgeber festzulegen, ob den Kreis bei Festlegung des Kreisumlagesatzes Verfahrenspflichten treffen und ob solchen Verfahrenspflichten Verfahrensrechte der betroffenen Gemeinden korrespondieren. Soweit derartige Regelungen fehlten, seien die Kreise in der Pflicht, ihr Rechtsetzungsverfahren derart auszugestalten, dass die genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt werden.

OVG muss Unterschreitung der finanziellen Mindestausstattung der Gemeinde prüfen 

Das BVerwG hat die Sache an das OVG zurückzuverweisen, weil es - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht geprüft habe, ob die streitige Kreisumlage dazu führt, dass die finanzielle Mindestausstattung der klagenden Gemeinde unterschritten wird.

BVerwG, Urteil vom 29.05.2019 - 10 C 6.18

Redaktion beck-aktuell, 31. Mai 2019.