Kein gemeindliches Vorkaufsrecht in Berlin-Kreuzberg
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Das gemeindliche Vorkaufsrecht darf nicht ausgeübt werden, wenn zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung die Nutzung einer Milieuschutzsatzung entspricht. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg darf daher sein Vorkaufsrecht für ein Grundstück am Chamissoplatz in Kreuzberg nicht ausüben. Das Bundesverwaltungsrecht hat entschieden, dass nur die bestehende Gebäudenutzung relevant ist – nicht jedoch die Befürchtung, die Käuferin werde das Gebäude luxussanieren und damit die bisherigen Mieter verdrängen.

Vorkaufsrecht in Kreuzberg ausgeübt

Ein Grundstück am Kreuzberger Chamissoplatz, bebaut mit einem Mehrfamilienhaus mit zwei Gewerbe- und 20 Wohneinheiten, ging im Jahr 2017 für 3,4 Millionen Euro über den Tisch. Die Käuferin - eine private Immobiliengesellschaft - beantragte beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg die Erteilung eines Negativzeugnisses, also die Bestätigung, dass kein Vorkaufsrecht besteht oder es nicht ausgeübt werden wird. Stattdessen übte der Bezirk das Vorkaufsrecht nach der Milieuschutzsatzung aus. Dagegen wehrte sich die neue Eigentümerin vergeblich vor dem Verwaltungsgericht Berlin und dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Erst das Bundesverwaltungsgericht gab ihr Recht und verpflichtete das Bezirksamt, der Immobiliengesellschaft das Negativzeugnis zu erteilen.

Mögliche Verdrängung der bisherigen Mieter durch Luxussanierung irrelevant

Das Grundstück werde zwar von der Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB erfasst, so der 4. Senat des BVerwG. Das Vorkaufsrecht diene auch dem Allgemeinwohl. Aber der Ausübung steht nach Ansicht der Leipziger Richter der Ausschlussgrund nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB entgegen: Das Haus werde entsprechend der Milieuerhaltungssatzung genutzt und sei erst 2004 modernisiert und instandgesetzt worden. Entgegen der Ansicht des OVG könne man diese Norm nicht so auslegen, dass man die voraussichtliche künftige Nutzung miteinbeziehe. Maßgeblich sei allein, dass zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung die Nutzung den Zielen der Milieuerhaltungssatzung nicht zuwiderlaufe. Dafür spreche schon der Gebrauch des Präsens im Ausschlusstatbestand, dieser berücksichtige keine möglichen zukünftigen Entwicklungen. Selbst wenn die Befürchtung zuträfe, dass die aktuellen Mieter alsbald verdrängt würden, sei es Sache der Legislative - und nicht der Judikative - entsprechend Vorsorge zu treffen.

BVerwG, Urteil vom 09.11.2021 - 4 C 1/20

Redaktion beck-aktuell, 7. Dezember 2021.