BVerwG: Gestattung der Berliner Gaststätte "Rheingauer Weinbrunnen" im Jahr 2014 war rechtswidrig

Die Gestattungen des Betriebs der Gaststätte "Rheingauer Weinbrunnen" auf dem Rüdesheimer Platz in Berlin im Jahr 2014 waren rechtswidrig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 12.12.2019 entschieden. Geklagt hatte ein Anwohner wegen des von der Gaststätte ausgehenden Lärms. Das Oberverwaltungsgericht habe die Gefahr einer unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung fehlerhaft verneint, moniert das BVerwG unter anderem (Az.: 8 C 3.19). 

Betrieb des "Rheingauer Weinbrunnen" erlaubt

Das zuständige Bezirksamt gestattete den beigeladenen Gastwirten, den "Rheingauer Weinbrunnen" auf der Empore des Rüdesheimer Platzes als Schankstand mit Flaschenverkauf ohne Ruhetage von Mai bis September 2014 von 15:00 Uhr bis 22:00 Uhr zu betreiben. Eine Lärmprognose des Beklagten ging von 400 Gästen auf der Empore und 200 weiteren Gästen aus, die am Schankstand erworbene Getränke im gärtnerisch gestalteten mittleren Teil des Platzes konsumierten. Die Widersprüche des in der Nachbarschaft wohnenden Klägers wurden zurückgewiesen oder blieben unbeschieden.

OVG: Lärmbelastung zumutbar beziehungsweise nicht zurechenbar

Seine Klage auf Feststellung, dass die inzwischen abgelaufenen Gestattungen rechtswidrig gewesen seien, hatte in erster und zweiter Instanz keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hielt die Klage für teilweise unzulässig und im Übrigen für unbegründet. Der Betrieb des "Rheingauer Weinbrunnens" lasse bis zur täglichen Schließzeit um 22:00 Uhr keine für den Kläger unzumutbare Lärmbelastung erwarten. Lärm von Gästen, die anschließend auf dem Mittelteil des Platzes verblieben oder sich um 22:00 Uhr dorthin begäben, sei dem Betrieb nicht zuzurechnen. Dagegen legte der Kläger Revision ein.

BVerwG: Rechtsgrundlage der Gestattungen nicht vollständig geprüft

Die Revision hatte Erfolg. Die Feststellungsklage sei insgesamt zulässig und begründet. Das Berufungsgericht habe die Gestattungen zu Unrecht für rechtmäßig gehalten. Es hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, die Lärmprognose zu kontrollieren, sondern hätte die Rechtsgrundlage der Gestattungen vollständig prüfen müssen. Danach hätte der Gaststättenbetrieb nicht ohne besonderen, über die Bewirtung hinausgehenden Anlass und nicht über mehrere Monate gestattet werden dürfen.

Gefahr unzumutbarer Lärmbeeinträchtigung fehlerhaft verneint

Laut BVerwG hat das OVG auch die Gefahr unzumutbarer Lärmbeeinträchtigung fehlerhaft verneint. Zwar habe das OVG die vom Beklagten zur Lärmprognose verwendete Methode ohne Rechtsverstoß für geeignet gehalten. Es habe deren Ergebnis jedoch nicht aufgrund eigener, der Methode widersprechender Annahmen und durch Abzug von Einzelpositionen korrigieren dürfen.

Lärmzurechnung zu Unrecht verneint

Außerdem habe es Geräusche, die nach Betriebsschluss der Gaststätte um 22:00 Uhr noch von deren im mittleren Teil des Platzes verbleibenden Gästen ausgingen, zu Unrecht nicht dem Betrieb des "Weinbrunnens" zugerechnet, so das BVerwG weiter. Diese Lärmbelastung sei - wie schon die Nutzung des Mittelteils des Platzes durch Gäste des "Weinbrunnens" zur Tagzeit - absehbare Folge des Verkaufs von Weinflaschen zum Konsum an Ort und Stelle.

Abwägung unvollständig

Ferner führt das BVerwG aus, dass das OVG die Herkömmlichkeit des Ausschanks nicht ohne Rücksicht auf die zunehmende zeitliche Ausdehnung und den vorgetragenen jährlichen Anstieg der Gästezahl hätte bejahen dürfen. In die Gesamtabwägung hätte es neben den für die Zumutbarkeit der Lärmbelastung sprechenden Gesichtspunkten auch gegenteilige einstellen müssen, darunter insbesondere den monatelangen Dauerbetrieb.

BVerwG, Urteil vom 12.12.2019 - 8 C 3.19

Redaktion beck-aktuell, 13. Dezember 2019.