BVerwG: Aufgabenträger hat Wahl der Ausgleichspflicht bei nicht auskömmlichem Verbundtarif im ÖPNV

Schreibt der Aufgabenträger für die Erbringung von Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr die Anwendung eines für Verkehrsunternehmen nicht auskömmlichen Verbundtarifs vor, hat er die Wahl, die Mindereinnahmen entweder durch die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags oder durch den Erlass einer allgemeinen Vorschrift im Sinn § 8 Abs. 4 Satz 2 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 auszugleichen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 10.10.2019 entschieden (Az.: 10 C 3.19).

Genehmigung für eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung begehrt

Die Klägerin ist ein Personenbeförderungsunternehmen, das Verkehrsdienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr erbringt. Sie begehrt eine Genehmigung für die eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung für mehrere Buslinien im Zuständigkeitsbereich des beklagten Kreises. Dieser rief als Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs im Dezember 2012 interessierte Verkehrsunternehmen zur Abgabe eigenwirtschaftlicher Anträge für ein Linienbündel von insgesamt sechs Buslinien auf. Die Bekanntmachung nahm Bezug auf den Nahverkehrsplan des Kreises, der unter anderem die Anwendung eines bestimmten Verbundtarifs festlegt.

EU-weites Ausschreibungsverfahren für Linienbündel

Im Januar 2013 beantragte die Klägerin mit drei eigenständigen Anträgen, die unterschiedliche Modalitäten für die Verkehrserbringung enthielten, die Genehmigung für einen eigenwirtschaftlichen Betrieb für das Linienbündel. Diese Anträge wurden abgelehnt. Nach erfolglos gebliebenen Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben. Während des Klageverfahrens führte der beklagte Kreis ein EU-weites Ausschreibungsverfahren für das Linienbündel durch, an dem sich die Klägerin erfolgreich beteiligte. Daraufhin erhielt sie die Genehmigung für den gemeinwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels. Über den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin ist noch nicht entschieden. Die Klage auf Erteilung einer Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Gericht bestätigt zwingende Versagungsgründe

Auch die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist nach Ansicht des BVerwG zu Recht davon ausgegangen, dass der Erteilung der begehrten Genehmigung zwingende Versagungsgründe entgegenstehen. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen ist die Klägerin zum eigenwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels nur in der Lage, wenn die ihr durch den auferlegten Verbundtarif entstehenden Mindereinnahmen durch eine allgemeine Vorschrift im Sinn des § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 ausgeglichen werden. Deren Erlass könne die Klägerin aber nicht beanspruchen. Vielmehr habe der Aufgabenträger die Wahl, die durch Anwendung eines für das Verkehrsunternehmen nicht auskömmlichen Verbundtarifs entstehenden Mindereinnahmen entweder durch die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags oder durch den Erlass einer allgemeinen Vorschrift im Sinn des § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 auszugleichen. Zudem müsse eine solche allgemeine Vorschrift den interessierten Verkehrsunternehmen bereits vor Ablauf der Frist zur Abgabe eines Angebots zugänglich sein, um ihre diskriminierungsfreie Anwendung sicherzustellen.

BVerwG, Urteil vom 10.10.2019 - 10 C 3.19

Redaktion beck-aktuell, 11. Oktober 2019.