BVerwG: BNetzA durfte Zugang zu Teilnehmeranschlussleitung zu Ermöglichung schnelleren Internets regulatorisch einschränken

Die telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügungen, mit denen die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Verpflichtung der Telekom, vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss zu gewähren, in Bezug auf die Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz unter bestimmten Bedingungen eingeschränkt hat, sind rechtmäßig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in vier Urteilen vom 21.09.2018 entschieden (Az.: 6 C 50.16, 6 C 6.17, 6 C 7.17 und 6 C 8.17). Die Verfügungen sind ergangen, um den Einsatz der Vectoring-Technologie zu ermöglichen.

BNetzA verpflichtet Telekom zunächst zu Gewährung vollständig entbündelten Zugangs

Die Telekom betreibt ein bundesweites Teilnehmernetz auf der Basis von Teilnehmeranschlussleitungen (TAL). Die TAL bestehen überwiegend noch aus Kupferdoppeladern und führen vom Hauptverteiler (HVt) bis zum Kabelverzweiger (KVz) und von dort zu den Räumlichkeiten der Endkunden (sogenannte letzte Meile). Die Telekom war zuletzt mit Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 21.03.2011 verpflichtet worden, anderen Unternehmen vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss am HVt oder an einem näher zu den Räumlichkeiten der Endkunden gelegenen Punkt, insbesondere am KVz zu gewähren (sogenannter Zugriff auf den "blanken Draht"). Auf dieser Grundlage können die Wettbewerber ihre Endkundenprodukte eigenständig gestalten.

Verpflichtung sodann in Bezug auf Zugang in HVt-Außenbereichen eingeschränkt

Durch Regulierungsverfügung vom 30.08.2013 wurde diese Verpflichtung dahingehend geändert, dass der Zugang zum vollständig entbündelten Teilnehmeranschluss an einem KVz in den sogenannten HVt-Außenbereichen (mehr als 550 m vom HVt entfernt) zur Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz unter bestimmten Voraussetzungen verweigert werden kann, um die Nutzung der sogenannten VDSL2-Vectoring-Technik zu ermöglichen. Durch den Einsatz dieser Technik lassen sich die Datenübertragungsraten erheblich steigern, indem Störungen, die sich aus der parallelen Nutzung benachbarter Leitungen in einem Kabelbündel ergeben, durch ein Gegenstörsignal eliminiert werden. Dieses Verfahren setzt jedoch voraus, dass nur ein Betreiber auf sämtliche TAL an einem KVz oder HVt zugreifen kann. Welcher Betreiber hierbei zum Zuge kommt, bestimmt sich in den sogenannten HVt-Außenbereichen grundsätzlich danach, wer den KVz zuerst mit VDSL2-Vectoring-Technik erschließt (sogenanntes Windhundprinzip). Unter bestimmten Bedingungen ist die Telekom darüber hinaus berechtigt, den Zugang nachträglich zu verweigern.

Zugangsbeschränkungen sodann ebenfalls für HVt-Nahbereiche

Durch eine weitere Regulierungsverfügung vom 01.09.2016 wurden für die sogenannten HVt-Nahbereiche ebenfalls Beschränkungen des Zugangs zum Teilnehmeranschluss geregelt. Hiernach ist die Telekom vor dem Hintergrund ihrer Zusage, die Nahbereiche flächendeckend mit VDSL2-Vectoring-Technik auszubauen, im Grundsatz als alleiniger Berechtigter bestimmt worden, jedoch können deren Wettbewerber unter bestimmten Voraussetzungen an ihre Stelle treten (sogenanntes Abwehrrecht). Für die HVt-Außenbereiche wurden die bereits geltenden Regelungen im Wesentlichen beibehalten. Zum Ausgleich der Zugangsbeschränkungen sind den Wettbewerbern ein Bitstrom-Zugang beziehungsweise ein lokaler virtuell entbündelter Zugang zur TAL als Ersatzprodukte anzubieten und gegebenenfalls Kompensationen zu leisten.

Klagen von Telekom-Wettbewerbern erfolglos

Die gegen die Regulierungsverfügungen erhobenen Anfechtungsklagen mehrerer Wettbewerber der Telekom waren in erster Instanz erfolglos. Das BVerwG hat die Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen. Dabei ist es wie bereits früher davon ausgegangen, dass der Bundesnetzagentur bei der Entscheidung über die Auferlegung der in § 13 TKG vorgesehenen Regulierungsverpflichtungen, zu denen insbesondere auch Zugangsverpflichtungen gehören, ein umfassender Auswahl- und Ausgestaltungsspielraum zukommt.

BNetzA hat Regulierungsermessen fehlerfrei ausgeübt

Dieses Regulierungsermessen habe die Bundesnetzagentur abwägungsfehlerfrei ausgeübt. Für die Zugangsbeschränkung zu dem Zweck, den Einsatz der Vectoring-Technologie zu ermöglichen, spreche danach vor allem das Regulierungsziel der Beschleunigung des Ausbaus hochleistungsfähiger Netze der nächsten Generation, so das BVerwG. Hierbei habe die BNetzA die von der Telekom abgegebene Ausbauzusage berücksichtigen können. Im Zusammenhang mit der Einführung der Ausbauzusage in das Verfahren sei es auch nicht zu einer unzulässigen Beeinflussung des Regulierungsermessens gekommen, so das BVerwG.

Abwägung widerstreitender Interessen fehlerfrei erfolgt

Die sich durch die Möglichkeit der Zugangsverweigerung ergebenden negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb habe die Netzagentur mit der dem Belang der Wettbewerbsförderung zukommenden Bedeutung in die Abwägung eingestellt. Der Begrenzung dieser Auswirkungen dienten die vorgesehenen Ersatzprodukte und Kompensationen sowie das in Bezug auf die HVt-Nahbereiche vorgesehene Abwehrrecht der Wettbewerber. Für die gebotene Konfliktbewältigung reichten im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehene Zweistufigkeit der Zugangs- und Entgeltregulierung die in den Regulierungsverfügungen enthaltenen Vorgaben für die Leistungsmerkmale und die Preisgestaltung der Ersatzprodukte aus. Die Umsetzung dieser Vorgaben könne in nachgelagerten Verfahren (Standardangebotüberprüfungsverfahren, Entgeltgenehmigungsverfahren) sichergestellt werden.

BVerwG, Urteil vom 21.09.2018 - 6 C 50.16

Redaktion beck-aktuell, 24. September 2018.