BVerwG: BND muss Presseauskunft (nur) über Anzahl laufender Strafverfahren wegen Geheimnisverrats geben

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Bundesnachrichtendienst (BND) in einem Eilverfahren verpflichtet, einem Journalisten Auskunft darüber zu erteilen, wie viele laufende Strafverfahren ihm nach Anklageerhebung gegen BND-Mitarbeiter wegen der Weitergabe von Geheimnissen bekannt sind. Die weitergehenden Anträge hat das BVerwG mit seinem Beschluss vom 11.04.2018 abgelehnt (Az.: 6 VR 1.18).

Zeitungsredakteur stellt nach erfolglosen Auskunftsbegehren Eilantrag

Nachdem entsprechende Auskunftsbegehren beim BND keinen Erfolg hatten, hatte der Antragsteller, ein Zeitungsredakteur, beim – insoweit erstinstanzlich zuständigen – BVerwG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er hat die Verpflichtung des BND begehrt, ihm Auskunft darüber zu erteilen, 1. wie viele laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen der Weitergabe von Geheimnissen (Geheimnisverrat) dem BND bekannt sind, 2. wie viele und welche laufenden Anklagen gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen der Weitergabe von Geheimnissen (Geheimnisverrat) dem BND bekannt sind und 3. welche Staatsanwaltschaften jeweils für die unter 1 und 2 genannten Verfahren zuständig sind und welche Aktenzeichen die jeweiligen Verfahren haben.

Eilverfahren nur in Bezug auf zweiten Antrag erfolgreich

Das Eilverfahren hatte nur teilweise Erfolg. Zwar habe der Antragsteller für alle Auskunftsanträge den Anordnungsgrund der Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht, so das BVerwG. Dafür reiche es aus, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen. Einen Anordnungsanspruch hat das BVerwG jedoch nur hinsichtlich des Antrags Nr. 2 für glaubhaft erachtet. Im Übrigen hat es die Anträge abgelehnt.

Strafprozessrechtliche Auskunftsregelungen verdrängen presserechtlichen Auskunftsanspruch nicht

Das BVerwG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der aus dem Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) hergeleitete Auskunftsanspruch gegen den BND durch die strafprozessrechtlichen Auskunftsregelungen gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht nicht verdrängt wird. Aufgrund des presserechtlichen Auskunftsanspruchs können Pressevertreter behördliche Auskünfte verlangen, soweit die Informationen bei der Behörde vorhanden sind und berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen.

Keine Bedenken hinsichtlich Offenbarung statistischer Angaben über Zahl von Strafverfahren

Soweit der Antrag Nr. 2 auf Auskunft darauf zielt, wie viele Strafverfahren gegen Mitarbeiter des BND wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB) und der §§ 94 ff. StGB ab Anklageerhebung, also in den Stadien vom strafrechtlichen Zwischen- bis zum Hauptverfahren der Antragsgegnerin bekannt sind, hat das BVerwG keine berechtigten schutzwürdigen Interessen öffentlicher Stellen oder Privater erkennen können, die das Informationsinteresse des Antragstellers überwiegen. Denn es sei offenkundig, dass Nachrichtendienste immer befürchten müssten, Mitarbeiter könnten ihnen anvertraute Dienstgeheimnisse verletzen, Staatsgeheimnisse verraten oder gar einer geheimdienstlichen Agententätigkeit für eine fremde Macht nachgehen. Solche Vorkommnisse seien Schicksal nahezu jeden Nachrichtendienstes und erschienen für sich allein nicht geeignet, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des BND in den Augen anderer Nachrichtendienste so weit herabzusetzen, dass eine Kooperation gefährdet erschiene. Allein die Offenbarung statistischer Angaben über die Zahl von Strafverfahren bietet nach Ansicht des BVerwG keinen tauglichen Ansatz, um Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur des BND auszumachen oder betroffene Mitarbeiter zu enttarnen. Strafverfolgungsinteressen würden auch nicht beeinträchtigt, da die betroffenen Mitarbeiter durch die Anklageschrift von dem gegen sie geführten Strafverfahren wüssten.

Gefährdung des Untersuchungszwecks bei Offenlegung von Angaben zu Ermittlungsverfahren vor Anklageerhebung möglich

Für alle übrigen Fragestellungen hat das BVerwG im Eilverfahren nicht aufklärbare Unsicherheiten gesehen, aus denen sich möglicherweise berechtigte und überwiegende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des BND und seiner Mitarbeiter ergeben. Denn bei der Offenlegung von Angaben zu Ermittlungsverfahren vor Anklageerhebung könnte der Untersuchungszweck auch bereits durch die Angabe rein statistischer Zahlen gefährdet werden. Dies gelte aber insbesondere hinsichtlich der über rein statistische Angaben hinausgehenden Fragestellungen des Antragstellers. Die vom BVerwG zu treffende Abwägung sei wegen des Gewichts der möglicherweise im Raum stehenden öffentlichen Belange des Geheimnisschutzes sowie berechtigter schutzwürdiger Interessen betroffener Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes an der Vertraulichkeit zulasten des Antragstellers ausgefallen.

BVerwG, Beschluss vom 11.04.2018 - 6 VR 1.18

Redaktion beck-aktuell, 30. April 2018.