Assessor hat Anspruch auf unentgeltliche Kopien seiner Examensklausuren
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Absolventen der zweiten juristischen Staatsprüfung haben einen datenschutzrechtlichen Anspruch darauf, dass ihnen das Landesjustizprüfungsamt unentgeltlich eine Kopie der von ihnen angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt den zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung stellt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht unter Berufung auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entschieden. Demnach stellen die schriftlichen Prüfungsleistungen personenbezogene Daten des Prüflings dar.

Assessor klagt auf kostenlose Überlassung von Kopien seiner Examensklausuren

Der Kläger verlangte nach bestandener zweiter juristischer Staatsprüfung vom Justizprüfungsamt unter Berufung auf die datenschutzrechtlichen Vorschriften, ihm unentgeltlich eine Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung zu stellen. Das Amt lehnte eine unentgeltliche Überlassung ab und verwies auf die Möglichkeit einer Übermittlung der Kopien gegen Erstattung von 69,70 Euro. Nachdem die Vorinstanzen dem Kläger Recht gaben, legte das Land Revision ein - ohne Erfolg.

BVerwG bestätigt Anspruch unter Berufung auf EuGH-Rechtsprechung

Laut BVerwG hat die betroffene Person gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO das Recht auf Auskunft über ihre personenbezogenen Daten. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO könne sie von dem Verantwortlichen die Überlassung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, verlangen. Aus Art. 12 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO ergebe sich, dass die erste derartige Kopie unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden müsse. Durch die Rechtsprechung des EuGH sei seit dem Jahr 2017 geklärt, dass die schriftlichen Prüfungsleistungen in einer berufsbezogenen Prüfung und die Anmerkungen der Prüfer dazu wegen der in ihnen jeweils enthaltenen Informationen über den Prüfling insgesamt - das heißt letztlich Wort für Wort - personenbezogene Daten des Prüflings darstellten. Mache in diesen Fällen der betroffene Prüfling das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Datenkopie geltend, müsse das Prüfungsamt eine vollständige Kopie der schriftlichen Prüfungsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten unentgeltlich zur Verfügung stellen.

Datenherausgabe nur durch Überlassung ganzer Klausur möglich

Dies gelte nicht nur nach einem weiten Normverständnis, nach dem das Recht auf eine Datenkopie stets die Überlassung einer Reproduktion der Daten in der bei dem Verantwortlichen vorliegenden Form umfasse. Nichts Anderes folge aus einem engeren Interpretationsansatz, nach dem grundsätzlich nur ein Anspruch auf die Zurverfügungstellung der aus dem jeweiligen Verarbeitungszusammenhang extrahierten personenbezogenen Daten oder auch nur einer strukturierten Zusammenfassung dieser Daten bestehe. Ein solches Vorgehen sei bei Prüfungsarbeiten nicht möglich, sodass auch von einer Vorlage der Frage an den EuGH abzusehen sei.

Kein exzessiver Antrag

Dem von dem Kläger geltend gemachten Anspruch stünden keine Ausschlussgründe nach der DS-GVO entgegen. Insbesondere handele es sich nicht um einen exzessiven Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO. Der Umfang, den seine Bearbeitung beim Landesjustizprüfungsamt verursache, sei als vergleichbar gering zu beurteilen. Der Anspruch beziehe sich vorliegend auf acht Klausuren mit insgesamt 348 Seiten. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung lägen nicht vor. Der fristgebundene Einsichtsanspruch nach dem nordrhein-westfälischen Juristenausbildungsgesetz lasse den datenschutzrechtlichen Anspruch unberührt. An diese Auslegung des Landesrechts vom Berufungsgericht sei der Senat gebunden.

BVerwG, Urteil vom 30.11.2022 - 6 C 10.21

Redaktion beck-aktuell, 1. Dezember 2022.