BVerwG: Abschleppkosten sind nur bei drei vollen Tagen Vorwarnzeit zu tragen

GG Art. 19 IV 1, 20 III; StVO §§ 1 I, 39 I, 41 I, 45 IV; VwVfG § 25 S. 2; VwGO §§ 80 II 1 Nr. 2, 137 I Nr. 2; VwVG §§ 20 II 2 Nr. 7 und 8, 77 I; PolG NW §§ 43 Nr. 1, 46 III

Ist ein ursprünglich erlaubt geparktes Fahrzeug aus einer nachträglich eingerichteten Halteverbotszone abgeschleppt worden, muss der Verantwortliche die Kosten nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nur tragen, wenn das Verkehrszeichen mit einer Vorlaufzeit von mindestens drei vollen Tagen aufgestellt wurde. Eine stundenscharfe Berechnung des Vorlaufs finde nicht statt.

BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 - 3 C 25.16 (OVG Münster), BeckRS 2018, 14942

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 15/2018 vom 02.08.2018

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Straßenverkehrsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Straßenverkehrsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Straßenverkehrsrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Die Klägerin stellte ihren Pkw am 19.08. auf einer öffentlichen Straße vor dem Nachbarhaus ihrer Wohnung ab und flog in Urlaub. Am 20.08. stellten Mitarbeiter eines privaten Umzugsunternehmens auf der Grundlager einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung in dem betreffenden Straßenabschnitt zur Vorbereitung eines Umzugs zwei mobile Halteverbotsschilder für den Zeitraum vom 23.–24.08. jeweils von 7:00–18:00 Uhr auf.

Am 23.08. versuchten Mitarbeiter des Umzugsunternehmens mehrfach erfolglos die Klägerin zu erreichen und ließen das Fahrzeug schließlich abschleppen. Am 05.09. September holte die Klägerin ihr Fahrzeug bei dem Abschleppunternehmen ab. Sie musste dafür 176,98 EUR bezahlen, zudem verlangte die Beklagte von der Klägerin eine Verwaltungsgebühr von 62 EUR. Dieses Geld wieder zu erlangen war der Klägerin außergerichtlich nicht möglich.

Sie erhob daher erfolglos Klage und Berufung.

Rechtliche Wertung

Das Berufungsgericht führte aus, das Halteverbot sei wirksam bekannt gegeben worden und die Schilder seien deutlich sichtbar aufgestellt gewesen. Die Kostenbelastung der Klägerin sei daher nicht unangemessen. Das Berufungsgericht ließ aber die Revision zu.

Das Bundesverwaltungsgericht hob das Berufungsurteil samt Gebührenbescheid der Stadt auf. Das Urteil des OVG verletze Bundesrecht, entschieden die Leipziger Richter. Eine Vorlaufzeit von 48 Stunden verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es könne nicht davon geredet werden, dass das ordnungsgemäße Aufstellen gegenüber der abwesenden Klägerin wirksam geworden sei.

Denn es müsse in allen Bereichen der Bundesrepublik von einer Vorlauffrist von 3 vollen Tagen ausgegangen werden. Auch im großstädtischen Raum seien solche Fristen einzuhalten. Eine Differenzierung nach Wochen- oder Sonn- und Feiertagen müsse grundsätzlich unterbleiben. Eine stundenscharfe Berechnung sei ein solch kleinteiliger Maßstab, dass er dem täglichen Leben nicht angemessen entspreche. Bauarbeiten, Straßenfeste oder Umzüge müssten eben einen entsprechenden zeitlichen Rahmen zugrundelegen.

Eine Kostenpflicht der Klägerin komme erst vom 4. Tag nach Aufstellung der Halteverbotsschilder in Betracht. Hier seien die Schilder zwar 72 Stunden im Voraus aufgestellt worden, nicht aber 3 volle Tage im Voraus.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist für die Praxis sehr wesentlich. Nach der Stundenzahl (3x24=72) gemessen, wäre das Schild rechtzeitig aufgestellt worden, aber eben nicht nach den vollen Tagen gerechnet. Die Richtschnur von 3 vollen Tagen ist wichtig, denn darauf müssen sich Verkehrsteilnehmer verlassen dürfen. Das (zunächst) ordnungsgemäße Parken während des Urlaubs ist damit aber immer noch nicht gefahrenlos.

Redaktion beck-aktuell, 9. August 2018.