BVerfG: Ökostromanbieter scheitert mit Verfassungsbeschwerden gegen Stromnetzentgelte

Ein Ökostromanbieter ist mit seinen Verfassungsbeschwerden wegen nach seiner Ansicht unbillig überhöhter Stromnetzentgelte vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Das BVerfG hat die Beschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführerin habe eine mögliche Grundrechtsverletzung durch die zivilgerichtlichen Entscheidungen nicht substantiiert dargelegt (Beschluss vom 26.09.2017, Az.: 1 BvR 1486/16, 1 BvR 2491/16, 1 BvR 2490/16 und 1 BvR 1487/16, BeckRS 2017, 128358).

Stromanbieterin hielt Netzentgelte für unbillig überhöht

Die Beschwerdeführerin ist eine Anbieterin für Ökostrom und Ökogas in Deutschland, die zur Belieferung ihrer Kunden mit Strom die Verteilnetze von verschiedenen Stromnetzbetreibern nutzt. Sie hielt die 2007 und 2008 von den beiden Netzbetreiberinnen verlangten und durch die Regulierungsbehörde nach § 23a Abs. 1 EnWG genehmigten Netzentgelte für unbillig überhöht und klagte deshalb auf Rückzahlung des zu viel bezahlten Netzentgelts. Die Klagen blieben vor den Instanzgerichten ohne Erfolg. Mit ihren daraufhin eingelegten Verfassungsbeschwerden rügte die Beschwerdeführerin eine Verletzung insbesondere des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG), der prozessualen Waffengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) und des Justizgewährungsanspruchs (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) durch die fachgerichtlichen Entscheidungen.

Seit 2009 keine ex-ante-Kontrolle des konkreten Netzentgelts mehr

Die rein kostenbasierte Regulierung der Stromnetzentgelte ist mit der 2009 durch die Anreizregulierungsverordnung vom 29.10.2007 eingeführten Anreizregulierung weitgehend entfallen. Seitdem werden nicht mehr die konkreten Netzentgelte aufgrund einer reinen Kostenprüfung genehmigt, sondern die Obergrenzen der zulässigen Gesamterlöse eines Netzbetreibers durch behördliche Festlegung bestimmt.

BVerfG: Anreizregulierungsverordnung nimmt Verfassungsbeschwerden grundsätzliche Bedeutung

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Nach Inkrafttreten der Anreizregulierungsverordnung komme den Verfassungsbeschwerden schon keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu. Für außer Kraft getretenes oder geändertes Recht bestehe im Regelfall kein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse, seine Verfassungsmäßigkeit zu klären, selbst wenn die strittigen verfassungsrechtlichen Fragen noch nicht durch das BVerfG entschieden worden seien.

Verfassungsbeschwerden unzulässig - Ungenügende Auseinandersetzung mit den angegriffenen Entscheidungen

Laut BVerfG ist die Annahme der Verfassungsbeschwerden mangels hinreichender Erfolgsaussichten auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Die Verfassungsbeschwerden seien bereits unzulässig. Die Beschwerdeführerin setze sich nicht zureichend mit den angegriffenen Entscheidungen auseinander. Die konkrete und substantiierte Auseinandersetzung mit allen wesentlichen Erwägungen könne nicht durch pauschale Verweise auf die den Verfassungsbeschwerden beigefügten Schriftsätze aus den Ausgangsverfahren ersetzt werden. Zudem enthielten die Schriftsätze ganz überwiegend nur eine Wiederholung der eigenen Argumentation der Beschwerdeführerin, ohne aufzuzeigen, inwieweit die gerade mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen ihre Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte verletzen könnten.

Verletzung des Willkürverbots durch Auslegung des § 315 Abs. 3 BGB nicht ausreichend dargelegt

Auch in der Sache lasse der Vortrag der Beschwerdeführerin eine mögliche Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht hinreichend substantiiert erkennen, so das BVerfG weiter. Die Beschwerdeführerin habe insbesondere nicht aufgezeigt, dass die konkret von ihr verlangten Darlegungen zur Erschütterung der Indizwirkung der Entgeltgenehmigungen und die an die Substantiierung gestellten Anforderungen auf sachfremden Erwägungen beruhen und eine unter keinen Umständen mehr zu vertretende Auslegung des § 315 Abs. 3 BGB darstellen könnten.

Keine Verletzung der Waffengleichheit durch geschwärzte Genehmigungsunterlagen

Laut BVerfG begründet die Beschwerdeführerin auch nicht hinreichend, dass wegen geschwärzter Genehmigungsunterlagen die Waffengleichheit verletzt sei. Sie zeige bereits das behauptete Informationsungleichgewicht nicht hinreichend substantiiert auf. Sie lege insbesondere nicht dar, welche konkreten Informationen ihr aus den Genehmigungsbescheiden oder anderen Zusammenhängen bekannt, welche Angaben in den Genehmigungsbescheiden geschwärzt gewesen seien und inwieweit deren Kenntnis für ihren Tatsachenvortrag notwendig gewesen wäre, um die Indizwirkung zu erschüttern. Auch habe sich die Beschwerdeführerin mit entgegenstehenden Rechten wie dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beklagten Netzbetreiberinnen nicht in der gebotenen Tiefe auseinandergesetzt.

Erschwerung gerichtlichen Zugangs durch Indizwirkung der Entgeltgenehmigung ebenfalls nicht zureichend dargetan

Soweit die Beschwerdeführerin rüge, der Bundesgerichtshof habe den Justizgewährungsanspruch dadurch verletzt, dass er konkreten Sachvortrag in ihren Revisionsbegründungen beziehungsweise ihren Nichtzulassungsbeschwerden nicht berücksichtigt habe, verkenne sie, dass der BGH als letztinstanzliches Gericht verfassungsrechtlich nicht verpflichtet ist, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden. Soweit die Beschwerdeführerin in der angenommenen Indizwirkung der Entgeltgenehmigung eine Erschwerung ihres Zugangs zu den Gerichten sehe, gelinge es ihr nicht, eine mögliche Verletzung von grundrechtsgleichen Rechten schlüssig aufzuzeigen.

BVerfG, Beschluss vom 26.09.2017 - 1 BvR 1486/16

Redaktion beck-aktuell, 19. Oktober 2017.