BVerfG: NPD und "Der III. Weg" mit Eilanträgen gegen Entfernung von Wahlplakaten gescheitert

Die rechtsextremen Parteien NPD und "Der III. Weg" hatten mit ihren Eilanträgen, mit denen sie erreichen wollten, dass von der Stadt Chemnitz abgehängte Wahlplakate zur Europawahl wieder aufgehängt werden, vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Erfolg. Im Eilverfahren der NPD entschied das BVerfG nach Vornahme einer Folgenabwägung, die angesichts der geringen Anzahl der abgehängten Plakate zu Lasten der NPD ausgefallen sei. Der Eilantrag der Partei der "Der III. Weg" sei bereits unzulässig gewesen (Beschlüsse vom 24.05.2019, Az.: 1 BvQ 45/19 und 1 BvQ 46/19).

NPD und "Der III. Weg" wehrten sich gegen Entfernung von Wahlplakaten

Die Stadt Zittau ließ drei Wahlplakate der NPD zur Europawahl wegen volksverhetzender Aussagen entfernen. Die Plakate trugen den Schriftzug "Stoppt die Invasion: Migration tötet!" und nahmen Bezug auf Orte, an denen es nach Medienberichten zu  Übergriffen oder Tötungen durch "Migranten" kam. Das Verwaltungsgericht lehnte einen Eilantrag der NPD auf Verpflichtung der Stadt Zittau, die Plakate wieder aufzuhängen, ab. Die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht blieb erfolglos. Ferner ließ die Stadt Zittau Wahlplakate der rechtsextremen Partei "Der III. Weg" mit der Aufschrift "Multikulti tötet" abhängen. Ihr Eilantrag blieb vor VG und OVG ebenfalls ohne Erfolg. Beide Parteien begehrten vor dem BVerfG den Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, die Stadt Zittau zu verpflichten, die Plakate wieder aufzuhängen.

BVerfG zu NPD-Antrag: Annahme der Volksverhetzung zweifelhaft

Im Fall der NPD hat das BVerfG den Eilantrag nach Vornahme einer Folgenabwägung abgelehnt. Zwar sei der Ausgang eines gegebenenfalls noch durchzuführenden Hauptsacheverfahrens offen. Denn mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sei die Einschätzung der Verwaltungsgerichte fraglich, nach der die Plakate als Volksverhetzung zu beurteilen seien. Erhebliche Zweifel bestehen nach Ansicht des BVerfG jedenfalls hinsichtlich der Einschätzung, alleine der Wortlaut des Slogans "Migration tötet!" vermittele dem unbefangenen Betrachter den Eindruck, sämtliche in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer oder Migranten seien als potentielle Straftäter von Tötungsdelikten anzusehen.

Kontext eines Wahlkampfes nicht ausreichend beachtet

Diese Einschätzung lasse außer Acht, dass der inkriminierte Satz im Kontext eines Wahlkampfes steht und in abstrakter Weise auf vermeintliche Folgen der Migration aufmerksam machen will und insoweit auf einzelne Straftaten  - die freilich als grundsätzliches Phänomen gedeutet werden - hinweist. Dass hierin eine pauschale Verächtlichmachung aller Migranten liege, könnten die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nicht tragfähig begründen. Nichts anderes gelte für die Deutung des Verwaltungsgerichts, nach der die Aufforderung  "Widerstand - jetzt" als Aufforderung an die Bevölkerung zum tatsächlichen Widerstand zu verstehen sei. Im Kontext einer Wahlkampagne dürfte diese Deutung kaum tragfähig sein.

Beurteilung des Plakats unter anderen Aspekten nicht im Eilverfahren zu klären

Ob demgegenüber das Plakat unter anderen Gesichtspunkten als verfassungsrechtlich unzulässig gedeutet werden könne, werfe weitere Fragen auf und könne nicht im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden werden. Die Frage werde von den Fachgerichten auch außerhalb des vorliegenden Verfahrens verschieden beantwortet und werfe Fragen auf, die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden könnten. Über sie sei - gegebenenfalls nach Durchführung eines Hauptsacheverfahrens vor den Fachgerichten - in der Hauptsache zu entscheiden.

Folgenabwägung fällt zu Lasten der NPD aus

Laut BVerfG fällt die gebotene Folgenabwägung unter Beachtung des anzulegenden strengen Maßstabs aber zu Lasten der NPD aus. Die Folgen, die einträten, wenn der NPD die Verwendung der hier in Rede stehenden Wahlplakate im streitgegenständlichen Umfang versagt bliebe, sich später aber herausstellte, dass die Stadt zur Duldung der Plakate oder zu deren Wiederanbringung hätte verpflichtet werden müssen, überwögen nicht gegenüber den Folgen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, sich später aber herausstellte, dass die Fachgerichte der NPD die Wiederanbringung der Plakate im Ergebnis zu Recht versagt hatten.

Nachteile für NPD gering

Das BVerfG erachtet den Nachteil für die NPD in Anbetracht von lediglich drei Wahlplakaten in Chemnitz und angesichts der kurzen Resthängedauer für gering. Zudem bleibe der NPD die Möglichkeit, andere Wahlwerbeformen zu nutzen, das beanstandete Wahlplakat weiterhin außerhalb des Stadtgebiets zu verwenden oder andere Sichtwerbung anzubringen.

Eilantrag der Partei "Der III. Weg" unzulässig

Den Antrag der Partei "Der III. Weg" hat das BVerfG bereits als unzulässig abgelehnt, da er nicht den Anforderungen entspreche, die nach dem BVerfGG an die Begründung eines Eilrechtsschutzbegehrens zu stellen seien. Das Antragsvorbringen ermögliche es dem BVerfG nicht, das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu beurteilen.

BVerfG, Beschluss vom 24.05.2019 - 1 BvQ 45/19

Redaktion beck-aktuell, 27. Mai 2019.