Dieselskandal: VW mit Verfassungsbeschwerde gegen Sonderprüfung erfolgreich

Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Verfassungsbeschwerden von Volkswagen gegen eine aktienrechtliche Sonderprüfung zum VW-Abgasskandal stattgegeben. Das Oberlandesgericht Celle, das die Sonderprüfung angeordnet hatte, habe unter anderem mehrfach Volkswagens Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das BVerfG hat Beschlüsse von 2017 und 2020 aufgehoben und die Sachen zurückverwiesen. Das OLG muss nun über die Sonderprüfung neu entscheiden.

US-Fonds beantragten gerichtliche Einsetzung eines Sonderprüfers

Der begehrte Sonderprüfer soll vor allem untersuchen, ab welchem Zeitpunkt Vorstand und Aufsichtsrat von den Abgasmanipulationen wussten oder wissen mussten. Das ist für die Frage von Bedeutung, ob Aktionäre möglicherweise zu spät per Ad-hoc-Mitteilung informiert wurden, was eine kapitalmarktrechtlichen Haftung nach sich ziehen könnte. Bei einer Hauptversammlung 2016 war die Bestellung eines Sonderprüfers mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Drei Fonds nach US-Recht, die von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz vertreten wurden, beantragten die Bestellung daraufhin vor Gericht. Volkswagen sprach den Fonds das Recht dazu ab, sie seien keine Aktionäre. Das OLG schließlich bestellte 2017 einen Sonderprüfer.

OLG bejahte Beteiligtenfähigkeit der Fonds

Dieser trat allerdings die Sonderprüfung aus Altersgründen nicht an. Daraufhin bestellte das OLG 2020 einen neuen Sonderprüfer. Die jeweils bejahte Beteiligtenfähigkeit der Fonds begründete das OLG damit, dass die Fonds VW-Aktien hätten erwerben können, spiegelbildlich müssten sie das aus dem Aktienbesitz folgende Recht zur Einsetzung eines Sonderprüfers wahrnehmen können. Die Rechtsbeschwerde ließ es jeweils nicht zu. Die Anhörungsrügen blieben ohne Erfolg. Volkswagen legte schließlich gegen Bestellung und Auswechslung des Sonderprüfers Verfassungsbeschwerde ein und rügte insbesondere eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, des Rechts auf den gesetzlichen Richter und einen Verstoß gegen das Willkürverbot.

BVerfG: Rechtliches Gehör, gesetzlicher Richter und Willkürverbot verletzt

Die Verfassungsbeschwerden hatten Erfolg. Das BVerfG hat die Beschlüsse des OLG aufgehoben und die Sachen zurückverwiesen. Das OLG habe bei Bestellung des Sonderprüfers unter mehrfacher Verletzung des rechtlichen Gehörs von Volkswagen die Beteiligtenfähigkeit der Fonds angenommen. Es habe mehrfach Parteivorbringen von Volkswagen übergangen. Auch als es 2020 den zunächst bestellten Sonderprüfer ausgewechselt habe, habe das OLG unter mehrfachem Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs von Volkswagen sowie unter Verstoß gegen das Willkürverbot die Beteiligtenfähigkeit der Fonds bejaht. Überdies habe das OLG Volkswagen in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, als es die Rechtsbeschwerde gegen seine im Jahr 2020 ergangene Entscheidung nicht zugelassen habe.

Verfahren zur Unabhängigkeit des Sonderprüfers vor LG Hannover

Ein Konzernsprecher teilte mit, die Volkswagen AG fühle sich "in ihrer Rechtsauffassung nachdrücklich bestätigt". Man werde sorgfältig die nächsten Schritte prüfen. VW möchte, dass der Sonderprüfer zunächst eventuelle wirtschaftliche Abhängigkeiten wie Investments offenlegt. Dazu ist derzeit ein Verfahren am Landgericht Hannover anhängig. Parallel müssen nun die Verfahren am OLG Celle noch einmal aufgenommen werden.

BVerfG, Beschluss vom 21.09.2022 - 1 BvR 2754/17

Redaktion beck-aktuell, 25. November 2022.