BVerfG: Brandenburgische Regelungen zum Hochschulkanzler auf Zeit verfassungswidrig

Die im Brandenburgischen Hochschulgesetz vorgesehene Berufung von Hochschulkanzlern in ein Beamtenverhältnis auf Zeit verstößt gegen das Lebenszeitprinzip und ist daher verfassungswidrig. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24.04.2018 entschieden. Aus der Stellung des Hochschulkanzlers nach brandenburgischem Hochschulrecht und dessen Aufgabenspektrum folgten keine besonderen Sachgesetzlichkeiten, die eine Ausnahme vom Lebenszeitprinzip erforderlich machten (Az.: 2 BvL 10/16).

Hochschulkanzler auf Zeit begehrt unbefristete Bestellung

Der Kläger des Ausgangsverfahrens war im Dienst des Landes Brandenburg als Beamter auf Lebenszeit, zuletzt als Ministerialrat im Finanzministerium, tätig. Nachdem er für die Stelle des Kanzlers einer Hochschule ausgewählt worden war, bestellte ihn der Präsident der Hochschule 2005 zum Hochschulkanzler. Zugleich wurde er von der Wissenschaftsministerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von sechs Jahren zum Kanzler ernannt und unter Übertragung dieses Amtes in eine Planstelle eingewiesen. Das Finanzministerium teilte ihm im Juli 2005 mit, dass er wegen seiner Ernennung zum Beamten auf Zeit kraft Gesetzes aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit entlassen sei. Im Juni 2010 beantragte er die erneute, unbefristete Bestellung zum Kanzler. Der Präsident der Hochschule bestellte ihn daraufhin wiederum zum Kanzler. Nach Ablehnung der Ernennung durch das Ministerium, Ausschreibung der Stelle und Durchführung eines Auswahlverfahrens gab der Präsident der Hochschule im Oktober 2010 die erneute Bestellung zum Kanzler bekannt. 2011 und 2013 ernannte ihn die Wissenschaftsministerin jeweils unter Einweisung in eine Planstelle abermals zum Kanzler auf Zeit.

BVerwG rief BVerfG an

Im Revisionsverfahren über die Verpflichtungs- und Bescheidungsklage auf Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage vor, ob die landesgesetzlichen Regelungen zur Ausgestaltung des Hochschulkanzleramtes im Beamtenverhältnis auf Zeit gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstießen.

BVerfG: Brandenburgische Regelungen verfassungswidrig

Das BVerfG hat entschieden, dass die im brandenburgischen Hochschulrecht geregelte Vergabe des Amtes des Kanzlers im Beamtenverhältnis auf Zeit mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar und nichtig ist. Sie verletze den Kernbereich des Lebenszeitprinzips, das als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums von Art. 33 Abs. 5 GG geschützt werde und nach dem Statusämter grundsätzlich auf Lebenszeit zu übertragen seien.

Eingriff in Lebenszeitprinzip nicht gerechtfertigt

Laut BVerfG kann die Ausgestaltung eines Beamtenverhältnisses auf Zeit als Eingriff in das Lebenszeitprinzip nur mit Blick auf die Besonderheiten des betroffenen Sachbereichs und der damit verbundenen Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt werden. Aus der Stellung des Hochschulkanzlers und dessen Aufgabenspektrum nach brandenburgischem Hochschulrecht folgten aber keine besonderen Sachgesetzlichkeiten, die eine Ausnahme vom Grundsatz der lebenszeitigen Anstellung und Übertragung des statusrechtlichen Amtes erforderlich machten.

Zuordnung des Kanzlers zur Verantwortungssphäre des dominanten Hochschulpräsidenten kein hinreichender Sachgrund

Ein zwingender Sachgrund für eine Durchbrechung des Lebenszeitprinzips sei dem brandenburgischen Hochschulrecht nicht zu entnehmen, so das BVerfG. Das brandenburgische Hochschulrecht sehe in verfassungsrechtlich zulässiger Weise den Präsidenten der Hochschule als zentrales Leitungsorgan mit weitgehenden Befugnissen vor. Dem Hochschulkanzler sei lediglich ein eigener Sachbereich als weisungsabhängiger und dienstrechtlich unterstellter Leiter der Verwaltung unter der Verantwortung des Präsidenten der Hochschule zugewiesen. Aus dieser Zuordnung des Kanzlers zur Verantwortungssphäre des Präsidenten ergebe sich keine Notwendigkeit, einen im Beamtenverhältnis beschäftigten Kanzler nur auf Zeit zu bestellen. Auch wenn der Kanzler als Leiter der Hochschulverwaltung und damit enger Mitarbeiter des Präsidenten dessen hochschulpolitische Konzepte verwaltungstechnisch und mit den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln umsetzen müsse, lasse sich hieraus keine über die allgemeine beamtenrechtliche Treuepflicht hinausgehende Loyalitätsbeziehung herleiten. Treue, Pflichterfüllung, unparteiischen Dienst für das Gemeinwesen sowie Gehorsam gegenüber Gesetzen und rechtmäßigen Anordnungen des Dienstvorgesetzten schulde jeder Beamter.

Kanzler benötigt Mindestmaß an Unabhängigkeit auch gegenüber dem Präsidenten

Die Stellung des Kanzlers dürfe nicht durch eine Reduktion seines Status auf diejenige eines Beamten auf Zeit geschwächt werden, unterstreicht das BVerfG. Das Brandenburgische Hochschulgesetz weise ihm keine ausdrücklichen Gestaltungsaufträge hochschulpolitischer Art zu, sondern mit der Leitung der Verwaltung eine rein sachbezogene, der ordnungsgemäßen Führung der laufenden Geschäfte entsprechende Tätigkeit. Gerade hierbei sei der Kanzler jedoch auf ein Mindestmaß an Unabhängigkeit auch gegenüber dem Präsidenten angewiesen, um auch im hochschulpolitischen Bereich eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern. Hierfür sprächen auch die Stellung des Kanzlers als Beauftragter für den Haushalt und die damit verbundenen herausgehobenen Anforderungen. Die Unabhängigkeit des Kanzlers finde dabei schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ihre Grenze in der beamtenrechtlichen Treuepflicht.

Wissenschaftsfreiheit rechtfertigt ebenfalls keine Bestellung auf Zeit

Laut BVerfG folgt auch aus den organisationsrechtlichen Anforderungen der Wissenschaftsfreiheit kein hinreichender Sachgrund für die Bestellung des Kanzlers nur im Beamtenverhältnis auf Zeit. Es bestehe kein Anlass zu der Vermutung, die durch das Lebenszeitprinzip vermittelte Unabhängigkeit des Berufsbeamtentums in der Person des Kanzlers könne sich wissenschaftshemmend auswirken, da dieser die Realisierung von Forschungsfreiheit negativ beeinflussen könnte. Bei der Umsetzung der hochschulpolitischen Konzepte des Präsidenten habe der Kanzler in nicht unerheblichem Maße Berührungspunkte mit den wissenschaftlich Tätigen. Dies entspreche jedoch gerade seiner historisch wie institutionell begründeten Stabilisierungs- und Schnittstellenfunktion. Maßgeblich sei, dass das brandenburgische Hochschulrecht dem Kanzler gerade keine hochschulpolitische Entscheidungsdomäne zuweise, die mit einem eigenen Gestaltungsspielraum auch im Verhältnis zum Präsidenten einhergehe.

Hochschulkanzler auf Lebenzeit läuft hoher Autonomie der brandenburgischen Hochschulen nicht zuwider

Zwar betone einerseits das brandenburgische Hochschulrecht die herausgehobene Stellung des Präsidenten und ordne ihm die Funktion des Kanzlers zu und unter, um sämtliche Kräfte der Hochschule unter der Leitung des Präsidenten zu bündeln. Andererseits folge aus dem Grundgesetz gerade nicht, dass der in der Position des Präsidenten zum Ausdruck kommende hohe Autonomiegrad der brandenburgischen Hochschulen strukturell durch eine "unflexible" Besetzung auf der Position des Kanzlers konterkariert würde. Der brandenburgische Gesetzgeber habe durchgängig berücksichtigt, dass die Mitwirkung des Senats als Selbstverwaltungsorgan an der Bestellung und Abberufung des Präsidenten stark ausgestaltet sein müsse, um dessen Entscheidungsbefugnisse zu kompensieren. Die Stellung des Hochschulkanzlers werde dadurch nicht berührt.

Brandenburger Modell erfordert keine Berufung als Beamter auf Zeit

Das BVerfG weist darauf hin, dass das vom brandenburgischen Hochschulgesetzgeber zulässigerweise gewählte Modell einer dominanten Präsidialhochschulleitung unter enger Beiordnung des verwaltungsleitenden Kanzlers auch ohne dessen Bestellung im Beamtenverhältnis auf Zeit realisiert werden könne. Neben der Möglichkeit der Anstellung des Kanzlers im befristeten privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis bestellen andere Bundesländer den Hochschulkanzler im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bei vorheriger Ernennung im Beamtenverhältnis auf Probe, ohne dass dies das monokratische Hochschulleitungsmodell in Frage stellen würde. Bezogen auf das Funktionsamt des Kanzlers sei auch denkbar, die Unabhängigkeit des weiterhin im Beamtenverhältnis auf Zeit beschäftigten Kanzlers dadurch zu sichern, ihm einen gebundenen Anspruch auf Übernahme in ein der (Status-)Wertigkeit des Kanzleramtes gleichwertiges anderes Amt im Landesdienst einzuräumen. Einen solchen Anspruch sehe indes derzeit keines der Landeshochschulgesetze vor.

Hochschulkanzler nicht mit kommunalen Wahlbeamten vergleichbar

Auch aus einem Vergleich mit den traditionsgemäßen historischen Fallgruppen akzeptierter Durchbrechungen des Lebenszeitprinzips folgt dem BVerfG zufolge keine Rechtfertigung einer Herausnahme des Hochschulkanzlers aus dem Gewährleistungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG. Mit der Kategorie des kommunalen Wahlbeamten sei der Hochschulkanzler nach brandenburgischem Hochschulrecht nicht vergleichbar, da seine Ernennung keinen Wahlakt voraussetzt, der den gewählten Kanzler der permanenten Rückkopplung an den Willen des Hochschulwahlorgans unterwirft.

Auch keine Vergleichbarkeit mit politischen Beamten

Mit der hergebrachten Kategorie der politischen Beamten lasse sich das Hochschulkanzleramt ebenfalls nicht vergleichen, so das BVerfG weiter. Dass der Kanzler mit seinem Aufgabenkreis in vielfältiger Berührung mit der hochschulpolitischen Grundausrichtung des Präsidenten stehe, lege allein jedoch noch keine Ausnahme vom Lebenszeitprinzip nahe. Denn die neben das allgemeine beamtenrechtliche Loyalitätsgebot tretende Zuordnung des Kanzlers zum Verantwortungsbereich des Präsidenten gewährleiste, dass der Kanzler die hochschulpolitischen Vorgaben im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung umsetzt. Vor allem aber sei der Kreis der politischen Beamten eng begrenzt. Solche "Transformationsämter" seien lediglich notwendige politische Schlüsselstellen für die wirksame Umsetzung der politischen Ziele der Regierung, die auf eine aktive Unterstützung seitens der betreffenden Amtsträger angewiesen sei. Die Beamtengesetze des Bundes und der Länder bildeten insoweit den wohl maximal zulässigen Rahmen der hierfür in Betracht kommenden Ämter ab, die den demokratisch gewählten und verantwortlichen Organen des Staates direkt zur Seite gestellt seien. Der Einsatzbereich der politischen Beamten müsse auf den engsten Kreis unmittelbarer Berater der Träger politischer Ämter beschränkt bleiben. Nur hier könnten sie als notwendiger Brückenkopf zwischen der politisch verantwortlichen Spitze der Verwaltung und dem sonstigen Personalkörper begriffen werden.

BVerfG, Urteil vom 24.04.2018 - 2 BvL 10/16

Redaktion beck-aktuell, 23. Mai 2018.