Bundestag beschließt Modernisierung des Strafverfahrens

Das Strafverfahren wird modernisiert. Der Bundestag hat am 15.11.2019 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, das das Bundesjustizministerium federführend erarbeitet hat. Ziel ist nach Angaben der Bundesregierung die Beschleunigung von Strafprozessen, mehr Anwendungsgebiete für DNA-Analysen zu schaffen und ein besserer Schutz für Opfer von Sexualstraftaten.

Hauptverhandlungen sollen "entstört" werden

Hauptverhandlungen sollen künftig störungsfreier durchgeführt werden können. Vor allem umfangreiche und komplexe Verfahren sollen effektiver geführt werden können, ohne die Verfahrensbeteiligten an der Ausübung ihrer Rechte zu behindern. So werde in umfangreichen Strafverfahren die Bündelung der Interessenvertretung mehrerer Nebenkläger ermöglicht, erläutert die Regierung. Standards für die Beeidigung von Gerichtsdolmetschern würden vereinheitlicht. Die Fristen zur Unterbrechung der Hauptverhandlung würden im Hinblick auf Mutterschutz und Elternzeit harmonisiert. So solle verhindert werden, dass Prozesse abgebrochen und völlig neu durchgeführt werden müssen. Die Ablehnung von Befangenheitsanträgen werde durch eine neue Fristenregelung erleichtert. Für die Überprüfung der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts werde ein Vorabentscheidungsverfahren eingeführt. Missbräuchlich gestellte Beweisanträge sollen künftig leichter abgelehnt werden können.

DNA-Analyse wird erweitert

Daneben ermöglichten die Änderungen es den Ermittlungsbehörden, Straftaten mit modernen Ermittlungsmethoden besser aufzuklären. Zum Beispiel werde die DNA-Analyse im Strafverfahren auf die Auswertung äußerlicher Merkmale wie Haar-, Haut- und Augenfarbe sowie das Alter erweitert, um anhand einer am Tatort aufgefundenen Spur Anhaltspunkte für das äußere Erscheinungsbild des Täters zu gewinnen. Laut Bundesjustizministerium wird dabei sichergestellt, dass die verfassungsmäßigen Grenzen hinsichtlich des Kernbereichsschutzes eingehalten werden.

Besserer Schutz der Opfer von Sexualstraftaten

Auch der Opferschutz werde gestärkt, so die Regierung weiter. So werde es zur Regel, dass die Vernehmung aller Opfer von Sexualstraftaten im Ermittlungsverfahren durch einen Richter erfolgt und audiovisuell aufgezeichnet wird, wenn dies den schutzwürdigen Interessen der Opfer dient. Die Videoaufzeichnung könne später in der Hauptverhandlung anstelle der Zeugenaussage verwendet werden – jetzt auch bei erwachsenen Opfern. Außerdem erhielten nun alle Vergewaltigungsopfer unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation einen Anspruch auf einen Rechtsbeistand.

Pflichtverteidiger für alle beschuldigten Personen

Gleichzeitig sollen mit dem bereits am 14.11.2019 verabschiedeten Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung auch die Beschuldigtenrechte gestärkt werden. Für alle beschuldigten Personen, die selbst wirtschaftlich nicht in der Lage sind, einen Verteidiger zu beauftragen, werde das Recht geschaffen, die Beiordnung eines Pflichtverteidigers zu beantragen. Zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls sollen die Befugnisse der Ermittlungsbehörden im Bereich der Telekommunikationsüberwachung insbesondere bei serienmäßiger Begehung erweitert werden.

Grundsätzliches Verhüllungsverbot

Es werde außerdem ausdrücklich geregelt, dass Verfahrensbeteiligte in Gerichtsverhandlungen ihr Gesicht weder ganz noch teilweise verhüllen dürfen, wenn dies die Identitätsfeststellung oder Beurteilung des Aussageverhaltens erschwere und keine medizinischen Gründe vorliegen, die gegen ein Verhüllungsverbot sprechen.

Nebenkläger-Anspruch auf privilegierte Bestellung eines Rechtsbeistandes wird erweitert

Der Anspruch des Nebenklägers auf privilegierte Bestellung eines Rechtsbeistandes werde insbesondere auf Fälle der Vergewaltigung ausgedehnt. Den Führungsaufsichtsstellen werde es zudem künftig ausdrücklich gestattet sein, personenbezogene Daten und Informationen an die Polizeibehörden und im Rahmen von "Runden Tischen" weiterzugeben.

Bundesjustizministerin für Dokumentation der Inhalte der Hauptverhandlung

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) drängt darüber hinaus auf die Einführung einer zeitgemäßen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung. Die Abkehr vom Formalprotokoll, das nur die Förmlichkeiten der Hauptverhandlung und nicht auch deren Inhalte dokumentiert, stoße in der Praxis noch immer auf erhebliche Vorbehalte. Deshalb müsse dieser Paradigmenwechsel besonders gründlich vorbereitet werden. Um die Grundlagen für diese Reform zu schaffen, will Lambrecht eigenen Angaben zufolge Länder und Verbände zeitnah zur Teilnahme an einer Arbeitsgruppe einladen.

Redaktion beck-aktuell, 18. November 2019.