Bundesregierung beschließt Maßnahmen zur Milderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise

Das Bundeskabinett hat am 23.03.2020 einen Gesetzentwurf als Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen beschlossen, mit dem die Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht abgemildert werden sollen. Der von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht (SPD) vorgelegte Entwurf enthält eine Vielzahl von Erleichterungen für jene, die infolge der Pandemie aktuell nicht ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können: Unter anderem sollen Mieter von Wohn- und Gewerbeimmobilien vor Kündigungen geschützt sein und die Handlungsfähigkeit von Unternehmen und Vereinen erhalten bleiben. Für Verbraucher und Kleinstunternehmen soll es bei bestimmten fortlaufenden Verpflichtungen Zahlungs- und Leistungsaufschübe geben.

Kündigungsschutz von Mietern

Für Mietverhältnisse soll das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen eingeschränkt werden. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch für Gewerberaummietverträge. Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Die Verpflichtung der Mieter zur fristgerechten Zahlung der Miete bleibt jedoch bestehen. Dies gilt für Pachtverhältnisse entsprechend. Die Regelungen gelten zunächst bis zum 30.06.2020 und können unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden.

Zahlungsaufschub für Verbraucher sowie Kleinstunternehmen

Zugunsten von Verbrauchern und Kleinstunternehmen wird vorübergehend für bedeutsame Dauerschuldverhältnisse die Möglichkeit zur Leistungsverweigerung geschaffen, soweit sie ihre Leistungspflichten wegen der Folgen der COVID-19-Pandemie derzeit nicht erfüllen können. Damit wird für die Betroffenen gewährleistet, dass sie insbesondere von Leistungen der Grundversorgung wie Strom oder Telekommunikation nicht abgeschnitten werden, weil sie ihren Zahlungspflichten krisenbedingt nicht nachkommen können. Zahlungspflichten aus Verbraucherdarlehensverträgen, die bis zum 30.06.2020 fällig werden, sollen gesetzlich um drei Monate gestundet werden, wenn der Schuldner infolge der Pandemie nicht zahlen kann Soweit für die Zeit nach dem 30.06.2020 keine einvernehmliche Lösung zwischen Darlehensgeber und Verbraucher gefunden werden kann, sind die Zahlungen wiederaufzunehmen. Damit aber in einer Übergangszeit die laufenden und die gestundeten Raten nicht doppelt bezahlt werden müssen, wird der Vertrag insgesamt um drei Monate verlängert. Der Darlehensnehmer soll also auch nach Ablauf der Stundung monatlich nur eine reguläre Rate abzahlen müssen. Eine Kündigung des Darlehens wird insoweit ausgeschlossen. Auch diese Regelungen sollen zunächst bis zum 30.06.2020 gelten und unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden können.

Maßnahmen im Insolvenzrecht

Im Insolvenzrecht soll eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Betriebe geschaffen werden, die wirtschaftliche Schäden durch den massiven Anstieg der Infektionen mit dem neuartigen SARS-CoV-2-Virus erleiden. Anknüpfend an die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll es Haftungserleichterungen für Geschäftsleiter für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife geben. Zudem sollen Anreize geschaffen werden, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten. Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum soll auch das Recht der Gläubiger, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen, eingeschränkt werden. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll bis zum 30.09.2020 befristet gelten und kann im Verordnungsweg bis zum 31.03.2021 verlängert werden.

Handlungsfähigkeit von Unternehmen, Genossenschaften, Vereinen und WEGs erhalten

Zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit von Unternehmen, Genossenschaften, Vereinen und Wohnungseigentümergemeinschaften sollen vorübergehende Möglichkeiten geschaffen werden, betroffene Rechtsformen in die Lage zu versetzen, auch bei weiterhin bestehenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten erforderliche Beschlüsse zu fassen und handlungsfähig zu bleiben. Hierzu werden vorübergehend substantielle Erleichterungen für die Durchführung von Hauptversammlungen der Aktiengesellschaft (AG), Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), des Versicherungsvereins a. G. (VVaG) und der Europäischen Gesellschaft (SE) sowie für Gesellschafterversammlungen der GmbH, General- und Vertreterversammlungen der Genossenschaft und Mitgliederversammlungen von Vereinen geschaffen. Wesentliche Aspekte für die AG, KGaA und SE sind dabei die Möglichkeit, dass der Vorstand der Gesellschaft auch ohne Satzungsermächtigung eine Online-Teilnahme an der Hauptversammlung ermöglichen kann. Außerdem soll erstmals auch die Möglichkeit einer präsenzlosen Hauptversammlung mit geschaffen werden. Ferner soll eine Verkürzung der Einberufungsfrist auf 21 Tage ermöglicht sowie dem Vorstand ermöglicht werden, auch ohne Satzungsregelung Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn vorzunehmen. Zudem wird die Möglichkeit eröffnet, eine Hauptversammlung innerhalb des Geschäftsjahres durchzuführen, das heißt die bisherige Achtmonatsfrist wird verlängert.

Ermöglichung präsenzloser Versammlungen

Da es sich bei der virtuellen Hauptversammlung von Aktiengesellschaften ohne physische Präsenz der Aktionäre in Deutschland um ein absolutes Novum handelt, schließt der Entwurf insbesondere Anfechtungsrisiken weitestgehend aus. Für Genossenschaften und Vereine werden ebenfalls vorübergehend Erleichterungen für die Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz oder die Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen, auch ohne entsprechende Satzungsregelungen geschaffen. Im Übrigen werden für Genossenschaften, Vereine, Stiftungen und Wohnungseigentümergemeinschaften Regelungen für den vorübergehenden Fortbestand bestimmter Organbestellungen getroffen, sollten diese Ablaufen, ohne dass neue Organmitglieder bestellt werden können. Um die Finanzierung der Gemeinschaften der Wohnungseigentümer sicherzustellen, wird angeordnet, dass der zuletzt beschlossene Wirtschaftsplan bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans gilt. Die Regelungen sollen zunächst für das Jahr 2020 gelten und können durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Weg der Verordnung auf das Jahr 2021 verlängert werden.

Mehr Flexibilität für Strafgerichte

Schließlich ist ein zusätzlicher Hemmungstatbestand für die Unterbrechungsfrist einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung vorgesehen, der auf ein Jahr befristet ist. Dieser soll es Gerichten erlauben, die Hauptverhandlung für maximal drei Monate und zehn Tage zu unterbrechen, wenn sie aufgrund von Maßnahmen zur Vermeidung der Verbreitung von Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nicht durchgeführt werden kann.

Redaktion beck-aktuell, 23. März 2020.