Bundesrechnungshof: Solidaritätszuschlag vollständig und zügig abschaffen

"Die Bundesregierung sollte den Solidaritätszuschlag vollständig und zügig abschaffen und hierfür im neuen Finanzplan 2019 bis 2023 die erforderlichen Planungsreserven vorsehen." Zu dieser Bewertung kam Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofes, als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV). Sein am 04.06.2019 veröffentlichtes Gutachten beleuchtet die rechtlichen und finanzwirtschaftlichen Aspekte des von der Regierungskoalition geplanten Abbaus des Solidaritätszuschlags.

Plan: Entlastungen nur für mittlere und untere Einkommen

Nach den Plänen der Regierungskoalition sollen mittlere und untere Einkommen ab dem Jahr 2021 beim Solidaritätszuschlag entlastet werden. Im Übrigen soll der Solidaritätszuschlag über das Ende des Finanzplanungszeitraums hinaus unverändert fortgeführt werden.

Gefahr: Milliardenschwere Steuerrückzahlungen

"Diese Vorgehensweise birgt erhebliche Risiken – verfassungsrechtliche und finanzwirtschaftliche", sagte Scheller. "Die Grundlage für den Solidaritätszuschlag fällt Ende 2019 weg. Wie im Fall der Kernbrennstoffsteuer ist die Gefahr real, dass der Bund zu milliardenschweren Steuerrückzahlungen verurteilt wird." Dies würde ein erhebliches Loch in die Finanzplanung des Bundes reißen, so Scheller.

Vollständiger Abbau bis 2023 möglich

Nach Einschätzung des BWV wäre es möglich, zumindest bis zum Ende des neuen Finanzplanungszeitraums im Jahr 2023 einen vollständigen Abbau umzusetzen – auch mit Blick auf die Vorgaben der Schuldenregel. "So sähe eine realistische Haushalts- und Finanzplanung aus, die ausreichend Vorsorge trifft", erläuterte Scheller.

Vorschläge zur Kompensierung der Mindereinnahmen

Der BWV macht in seinem Gutachten Vorschläge, wie die Mindereinnahmen gegenüber der aktuellen Finanzplanung kompensiert werden könnten. Darunter fällt eine kritische Überprüfung der Leistungen des Bundes für Aufgaben von Ländern und Kommunen sowie der vielfältigen Steuervergünstigungen. Zur Vermeidung von Einnahmeverlusten könnte gegebenenfalls auch der Einkommensteuertarif umgestaltet werden. "Soweit die Regierung die im Koalitionsvertrag angestrebte Spreizung der Einkommensteuerbelastung beibehalten will, ist der zur Finanzierung der Deutschen Einheit eingeführte Solidaritätszuschlag das falsche Instrument", heißt es im Gutachten weiter.

Solidaritätszuschlag sollte "Aufbau Ost" finanzieren

Der Solidaritätszuschlag ist eine steuerliche Ergänzungsabgabe, deren Aufkommen allein dem Bund zufließt. Er wurde im Jahr 1995 angesichts der damals schwierigen Haushaltslage zur Finanzierung des "Aufbaus Ost" eingeführt. Diese im Wesentlichen über den Solidarpakt II bereit gestellte Finanzierung läuft Ende 2019 aus; eine weitere Sonderfinanzierung der neuen Länder durch den Bund ist nicht vorgesehen. Zudem hat sich die Haushaltslage des Bundes seit 1995 deutlich verbessert, sodass eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung für den Solidaritätszuschlag entfällt.

Redaktion beck-aktuell, 5. Juni 2019.