Tagung "Brennpunkt Steuerpraxis" diskutiert Digitalisierung bei Buchführung und Steuerschätzung

Im gesamten Besteuerungsverfahren gewinnt die Digitalisierung zunehmend an Bedeutung. Bei Betriebsprüfungen der Finanzämter greifen die Außenprüfer vermehrt auf digitale Unternehmensdaten zu. Dabei führt gerade die elektronische Kassenführung im Einzelhandel regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt. Am 05.11.2018 griff der diesjährige "Brennpunkt Steuerpraxis" diese aktuellen Entwicklungen unter der Überschrift "Schätzungsanlässe im Zeitalter digitaler Aufzeichnungen“ auf.

Digitalisierung mit Vorteilen und Risiken

Die Veranstaltung wurde vom Finanzgericht Münster in Kooperation mit der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe und dem Steuerberaterverband Westfalen-Lippe e.V. sowie in Zusammenarbeit mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster durchgeführt. In seiner Begrüßung betonte der Präsident des Finanzgerichts Münster Christian Wolsztynski, dass es Aufgabe der Rechtsprechung der Finanzgerichte sei, die mit der Digitalisierung verbundenen Vorteile einerseits und die damit zusammenhängenden Risiken andererseits in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen. "Mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip müssen Datengewinnung und Datenverarbeitung durch die Außenprüfung transparent sowie für die Steuerbürger, ihre Berater und für die Gerichte Schritt für Schritt nachvollziehbar sein.“

Bedeutung des Grundrechtsschutzes betont

Egmont Kulosa, Richter des Zehnten Senats des Bundesfinanzhofs, arbeitete anschließend in seinem Impulsvortrag die Systematik der gerichtlichen Überprüfung von Schätzungen der Finanzverwaltung heraus und erläuterte die Neuorientierung der Rechtsprechung des BFH: "Hier steigen die Richter tief in das Zahlenmaterial ein.“ An den Vortrag schloss sich eine Podiumsdiskussion an. Thematisiert wurden unter anderem die Notwendigkeit ausreichender Bestimmbarkeit der formellen Ordnungsmäßigkeitsanforderungen und die Bedeutung des Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung im Zeitalter digitaler und automationsgestützter Prüfungen durch die Finanzbehörden. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass es eine "automatische“ Schätzungsbefugnis beispielsweise bei Fehlen einer Verfahrensdokumentation nicht gebe.

Große Unsicherheiten mit Blick auf ordnungsgemäße Kassenführung

Es müsse immer das Ziel eines Betriebsprüfers sein, ein Gesamtbild der betrieblichen Verhältnisse zu gewinnen. Ein weiterer Teilnehmer hob hervor, dass sich die Betriebsprüfung nicht auf eine rein formale Prüfung insbesondere der Kassenprogrammierung beschränken dürfe. Dies gelte umso mehr, wenn die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens im Raum stehe. Im Rahmen der Diskussionsrunde wurde darauf hingewiesen, dass es bei den Steuerbürgern derzeit große Unsicherheiten darüber gebe, was die Finanzämter für eine ordnungsgemäße Kassenführung verlangen dürften.

Steuerehrlichkeit und Augenmaß gefordert

Für den Präsidenten des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe e.V., Marcus Tuschen, ist die Steuerehrlichkeit der Mandanten von größter Bedeutung. Steuern müssten möglichst in zutreffender Höhe gezahlt werden. Gleichzeitig appellierte er an die Finanzämter, unvoreingenommen und mit Augenmaß in die Betriebsprüfung zu gehen. Nur eine faire Behandlung führe zur erforderlichen Akzeptanz des Besteuerungsverfahrens und der Feststellungen der Betriebsprüfung bei den Steuerbürgern.

Redaktion beck-aktuell, 12. November 2018.