BRAK fordert Nachbesserungen am Entwurf zur Förderung von Videoverhandlungen

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) begrüßt in einer Stellungnahme grundsätzlich die geplante Förderung von Videoverhandlungen, die ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vorsieht. Allerdings sieht sie auch Nachbesserungsbedarf. Insbesondere lehnt sie eine Videoverhandlung und Videobeweisaufnahme, die das Gericht künftig auch von Amts wegen anordnen können soll, gegen den Willen der Parteien ab.

BRAK: Defizitäre Ausstattung der Gerichte bremst vermehrte Nutzung von Videokonferenzen

Mit dem geplanten Gesetz soll der Einsatz von Videokonferenztechnik in den Verfahrensordnungen über die nach der geltenden Rechtslage schon bestehenden Möglichkeiten hinaus erweitert werden. Die BRAK begrüßt dies grundsätzlich, da die vermehrte Nutzung von Videokonferenztechnik zu einer Beschleunigung der Verfahren führen dürfte. Sie weist aber auf die defizitäre technische Ausstattung vieler Gerichte hin. Von 1.085 Gerichten in Deutschland seien nur 435 videokonferenzfähig. Die fehlende Ausstattung der Gerichte bremse gegenwärtig erheblich die "verstärkte Nutzung von Videokonferenztechnik", die das Bundesjustizministerium als "wichtigen Baustein für die angestrebte Modernisierung und Digitalisierung der Ziviljustiz" ansehe. Außerdem betont die BRAK, dass die Nutzung von Videokonferenztechnik nicht dazu führen dürfe, dass sich die Justiz aus der Fläche, insbesondere aus dünnbesiedelten Flächenländern, weiter zurückzieht, indem weiter Gerichte abgebaut oder zusammengelegt werden. Eine bürgernahe Justiz müsse gewährleistet bleiben.

BRAK lehnt Videoverhandlung und Videobeweisaufnahme gegen den Willen der Parteien ab

Der Referentenentwurf für ein Gesetz "zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten" sieht insbesondere eine vollständige Neufassung des § 128a ZPO vor. Danach soll das Gericht eine Videoverhandlung künftig nicht mehr nur gestatten, sondern anordnen können (§ 128a Abs. 2 ZPO-E). Die BRAK lehnt mit Blick auf die Dispositionsmaxime die Anordnung einer Videoverhandlung gegen den Willen der Parteien ab. Die Parteien sollten nach ihrer Ansicht die Entscheidungsfreiheit darüber haben, ob eine Verhandlung als Videokonferenz oder in Präsenz durchgeführt wird. Beantragen die Verfahrensbeteiligten übereinstimmend eine Videoverhandlung, sollte ihrer Auffassung nach hingegen eine Pflicht zur Durchführung einer Videoverhandlung bestehen (Entwurf: "soll"). Nach dem Entwurf soll künftig auch eine Videobeweisaufnahme von Amts wegen angeordnet werden können (§ 284 Abs. 2 ZPO-E). Dies lehnt die BRAK ebenfalls ab und verweist auf die überragende Bedeutung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes. Beweisaufnahmen mit Zeugen-, Sachverständigen- und/oder Parteianhörungen sollten ihr zufolge in Präsenz stattfinden, wenn nicht alle Beteiligten ihre Zustimmung erteilen. Neben weiterer Kritik an den geplanten Regelungen stellt die BRAK auch Anforderungen an das zu verwendende Videokonferenzsystem und fordert die Beachtung und Einhaltung des Datenschutzes.

Redaktion beck-aktuell, 3. Februar 2023.