Blutprobe als Beweismittel bei Impfpassfälschung?

Im Zusammenhang mit der Corona-Impfung tauchen immer mehr gefälschte Impfpässe auf. In einer groß angelegten Razzia in mehreren Bundesländern wurden Wohnungen von rund 100 Verdächtigen durchsucht. In vielen Fällen hat die Polizei auch Blutproben genommen. Wir widmen uns der Frage, inwieweit Blutproben als Beweismittel bei Impfpassfälschung in Betracht kommen können.

Verhältnismäßigkeit der Blutentnahmen umstritten

In der jüngsten Vergangenheit häufen sich Berichte über Straftaten rund um die Fälschung von Impfnachweisen. Die in Rede stehenden Delikte sind zum einen das erst kürzlich vom Gesetzgeber nach § 275 Abs. 1a StGB unter Strafe gestellte "Verbreiten und Herstellen von unrichtigen Impfnachweisen" und zum anderen der Abrechnungsbetrug nach § 263 StGB, wenn Impfungen abgerechnet, aber nicht verabreicht wurden. Im Rahmen der Ermittlungen werden auch immer wieder Blutentnahmen bei den Beschuldigten durchgeführt. Ob ein derartiger körperlicher Eingriff verhältnismäßig ist, ist unter Juristen und Experten nicht unumstritten. Besondere Bedeutung kommt insofern dem Beweiswert der entnommenen Probe zu.

Körperlicher Eingriff unterliegt Richtervorbehalt

Die Blutentnahme ist als körperlicher Eingriff im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen in der Strafprozessordnung geregelt. Gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 StPO steht die Blutentnahme grundsätzlich unter Richtervorbehalt. Das bedeutet, dass Staatsanwaltschaft und Polizei nicht selbst entscheiden dürfen, ob einer beschuldigten Person Blut entnommen wird, sofern keine Gefahr im Verzug ist. Der Eingriff selbst darf zudem ausschließlich von einer Ärztin oder einem Arzt und nur bei ausdrücklicher Einwilligung des Beschuldigten von einer sonstigen Pflegekraft nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden. Gefahr im Verzug dürfte bei Blutentnahmen im Rahmen von Ermittlungen zu Impfpassfälschungen regelmäßig nicht gegeben sein, da der Antikörperwert, auf den das entnommene Blut untersucht wird, nicht in kurzer Zeit bedeutsam abnimmt. Anders verhält es sich beispielsweise bei einer Blutentnahme nach einer Alkoholfahrt. Da der Blutalkoholwert relativ schnell sinkt, ist inzwischen in § 81a Abs. 2 Satz 2 StGB ausdrücklich geregelt, dass es in diesen Fällen keiner richterlichen Entscheidung bedarf.

Antikörperstatus aussagekräftig?

Rolf Fauser von der Deutschen Polizeigewerkschaft, Landesbeauftragter für die Kriminalpolizei in Baden-Württemberg und Urkunden-Sachverständiger erklärte im Gespräch mit dem SWR, warum die Blutproben seiner Ansicht nach als Beweismittel unerlässlich sind. Ihm zufolge komme dem Antikörperstatus (sog. Titerwert) einer Person ein elementarer Beweiswert zu. Anhand dieses Wertes könne festgestellt werden, ob und mit was eine Person geimpft sei oder nicht. Es könne so etwa auch festgestellt werden, ob einer Person ein Vakzin oder beispielsweise nur eine Natriumlösung verabreicht wurde. Die Angemessenheit der Maßnahme ergebe sich insbesondere daraus, dass es keine andere Möglichkeit gebe, um diesen Wert zu ermitteln. Der Titerwert zeige eindeutig, ob eine Person infiziert bzw. geimpft worden sei. Die Frage, wie hoch der Wert bei welcher Impfung sein müsse, könne hingegen nur ein Virologe bewerten, so Fauser.

Bis zu 10% der Geimpften ohne Antikörper

Demgegenüber bezweifelt Rechtsanwalt Dr. Bunzel die Beweiskraft der Blutwerte auf seinem YouTube-Kanal. Zahlreiche Untersuchungen zeigten, dass bei bis zu 10% der Geimpften keine Antikörper vorhanden seien. Würde diesen nun im Rahmen von Ermittlungen Blut abgenommen und würde die Blutprobe als Mittel zum Beweis einer der oben genannten Straftatbestände verwertet werden, so könne dies im schlimmsten Fall zu einer unrechtmäßigen Verurteilung führen. Das mache die Anordnung einer Blutentnahme zum Nachweis des Impfstatus jedoch nicht von vornherein ungeeignet bzw. unverhältnismäßig und somit rechtswidrig, so Bunzel. Vielmehr müsse differenziert werden, ob die Blutprobe zur Be- oder zur Entlastung des Beschuldigten beitrage. Nur in letzterem Fall - also wenn bei einem Beschuldigten Antikörper nachgewiesen werden konnten - sollte die Blutprobe zu seinen Gunsten verwertet werden können. Eine belastende Verwertung scheide jedoch aus, wenn keine Antikörper nachgewiesen werden konnten, da der Beschuldigte in diesem Fall auch unter die 10% der geimpften Personen ohne Antikörper fallen könnte.

Fälschungen nur anhand des Chargen-Aufklebers erkennbar

Im Übrigen ist es nach Aussage des Urkunden-Sachverständiger Fauser außerordentlich schwierig, einen gefälschten Impfausweis als solchen zu erkennen. Letztlich könne nur anhand des Chargen-Aufklebers im Impfpass ermittelt werden, ob es sich bei diesem um eine Fälschung handelt. Als Charge bezeichnet man eine bestimmte Menge an Impfstoffdosen, die in einem Produktionsgang unter identischen Bedingungen entstanden sind, erklärt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) auf ihrer Internetseite. Jede Charge werde mit einer Chargennummer gekennzeichnet, welche auch auf dem Aufkleber im Impfpass aufgedruckt sei. Die Apotheken könnten prüfen, ob eine im Impfpass genannte Chargennummer zu den in Deutschland verimpften Dosen der COVID-19-Impfstoffe passe und ob die COVID-19-Impfung tatsächlich im Zeitraum zwischen Freigabe- und Verfallsdatum erfolgt sei. Diese Hinweise seien entscheidend für die spätere richterliche Anordnung der Blutprobe, so Fauser. Da es sich bei dem Chargen-Aufkleber jedoch nur um ein kleines Stück Papier handele, bewerte er deren Sicherheit eher skeptisch. In seinem LKA werde daher eine Auswertung aller verdächtigen Fälle vorgenommen.

Redaktion beck-aktuell, 20. Januar 2022.