BGH: Neuwagenkäufer kann unter Umständen trotz nachträglicher Mängelbeseitigung Ersatzlieferung beanspruchen

Das Recht eines Neuwagenkäufers, im Fall eines Mangels statt einer Nachbesserung die Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs zu verlangen, kann nicht durch eine nachträgliche Mängelbeseitigung ohne seine Zustimmung ausgehebelt werden. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.10.2018 hervor. Relevant sei diese aber im Rahmen der Einrede der Unverhältnismäßigkeit. Dabei könne der Verkäufer den Käufer aber nicht wegen unverhältnismäßiger Kosten einer Ersatzlieferung auf die Mängelbeseitigung verweisen, wenn er den Mangel nicht vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigt hat. Da dies im vorliegenden Fall noch offen war, hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Az.: VIII ZR 66/17).

Fehlerhafte Warnmeldungen in Neuwagen – Käufer begehrt Ersatzlieferung

Der Kläger kaufte von der Beklagten, der Herstellerin, einen Neuwagen BMW X3 xDrive20 zum Preis von 38.265 Euro, der im September 2012 geliefert wurde. Das dem damaligen Serienstandard entsprechende Fahrzeug ist mit einem Schaltgetriebe sowie einer Software ausgestattet, die bei drohender Überhitzung der Kupplung eine Warnmeldung einblendet. Ab Januar 2013 erschien im Textdisplay des Autoradios mehrfach eine Warnmeldung, die den Fahrer aufforderte, das Fahrzeug vorsichtig anzuhalten, um die Kupplung (bis zu 45 Minuten) abkühlen zu lassen. Nachdem diese Warnmeldung auch nach mehreren Werkstattaufenthalten des Fahrzeugs in einer Niederlassung der Beklagten wiederholt aufgetreten war, verlangte der Kläger schließlich im Juli 2013 von der Beklagten Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeuges.

Beklagte behauptet nachträgliches Software-Update mit korrigierter Warnmeldung

Die Beklagte bestritt einen Mangel. Sie habe dem Kläger mehrfach mitgeteilt, dass die Kupplung technisch einwandfrei sei und auch im Fahrbetrieb abkühlen könne. Es sei deshalb nicht notwendig, das Fahrzeug anzuhalten, wenn die Warnmeldung der Kupplungsüberhitzungsanzeige erscheine. Während des anschließend geführten Rechtsstreits gab der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug im Oktober 2014 im Rahmen eines Kundendienstes in eine Werkstatt der Beklagten. Die Beklagte behauptete, dabei sei ein zwischenzeitlich zur Verfügung stehendes Software-Update mit einer korrigierten Warnmeldung aufgespielt worden.

BGH verweist Sache an OLG zurück

Das Oberlandesgericht gab der auf Ersatzlieferung eines entsprechenden Neufahrzeugs (Zug um Zug gegen Rückübereignung des gelieferten Fahrzeugs) gerichteten Klage statt. Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Sachmangel bei Übergabe lag vor

Das Berufungsgericht habe zunächst zutreffend angenommen, dass das dem Kläger veräußerte Neufahrzeug bei Übergabe im September 2012 einen Sachmangel aufwies. Denn die Software der Kupplungsüberhitzungsanzeige habe eine Warnmeldung eingeblendet, die den Fahrer zum Anhalten aufgefordert habe, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl ein Anhalten tatsächlich nicht erforderlich gewesen sei. Damit habe sich das Fahrzeug weder für die gewöhnliche Verwendung geeignet noch habe es eine Beschaffenheit aufgewiesen, die bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die ein Käufer nach Art der Sache erwarten könne (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). An dieser Beurteilung als Sachmangel ändere es nichts, wenn – wie hier behauptet – der Verkäufer dem Käufer mitteilt, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten. Dies gelte auch dann, wenn der Verkäufer (wie die Beklagte) zugleich der Hersteller des Fahrzeugs ist.

Zunächst verlangte Nachbesserung steht Anspruch auf Ersatzlieferung nicht entgegen

Der BGH hält weiter fest, dass dem vom Käufer wegen eines Sachmangels geltend gemachten Anspruch auf Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1 BGB) durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) nicht entgegenstehe, dass er – wie vorliegend der Kläger – gegebenenfalls zunächst die andere Art der Nacherfüllung, nämlich die Beseitigung des Mangels (§ 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB) verlangt hat. Denn die Ausübung des Nacherfüllungsanspruchs sei gesetzlich (anders als die Ausübung des Rücktritts- oder Minderungsrechts) nicht als bindende Gestaltungserklärung ausgeformt, sodass der Käufer nicht daran gehindert sei, von der zunächst gewählten Art der Nacherfüllung wieder Abstand zu nehmen.   

Nachträgliche Mängelbeseitigung ohne Zustimmung des Käufers kann getroffene Wahl nicht aushebeln

Außerdem dürfe ein Käufer auch dann an seiner Wahl der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung festhalten, wenn der Mangel nachträglich ohne sein Einverständnis beseitigt wird. Insoweit komme es somit nicht darauf an, ob die Beklagte – wie sie behauptet – den irreführenden Warnhinweis während des Rechtsstreits durch Aufspielen einer korrigierten Version der Software beseitigt hat. Denn der Kläger habe einer solchen Nachbesserung im Rahmen der routinemäßigen Inspektion im Oktober 2014 weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt.

Lieferung eines Ersatzfahrzeugs aber unverhältnismäßig?

Laut BGH kann der Verkäufer nach § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. (nunmehr § 439 Abs. 4 Satz 1 BGB) die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung allerdings verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich wäre. Die Beklagte habe diese Einrede erhoben und meine, die vom Kläger gewählte Art der Nacherfüllung (Lieferung eines Ersatzfahrzeugs) würde im Vergleich zur anderen Art (Aufspielen eines Software-Updates) unverhältnismäßige Kosten verursachen. Die damit eingewandte sogenannte relative Unverhältnismäßigkeit müsse das Gericht aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung und Würdigung aller maßgeblichen Umstände des konkreten Einzelfalls unter Berücksichtigung der in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB a. F. genannten Kriterien beurteilen.

Kosten für Software-Update wesentlich geringer, Mangel aber von erheblicher Bedeutung

Wie der BGH ausführt, habe das Berufungsgericht das Vorliegen der geltend gemachten Unverhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall verneint. Dabei habe es zunächst zutreffend berücksichtigt, dass die Kosten der Ersatzlieferung hier zwar deutlich höher seien als die Kosten der Nachbesserung durch ein Software-Update, dem Mangel aber erhebliche Bedeutung (§ 439 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BGB a. F.) zukomme, weil er die Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs spürbar einschränkt. Insoweit sei wiederum ohne Einfluss, ob die Beklagte (wie sie behauptet) die Einblendung der irreführenden Warnmeldung im Oktober 2014 durch das Aufspielen einer korrigierten Software beseitigt habe. Denn für die Beurteilung der relativen Unverhältnismäßigkeit der gewählten Art der Nacherfüllung sei grundsätzlich der Zeitpunkt des Zugangs des Nacherfüllungsverlangens maßgebend (hier: Juli 2013).

OLG muss Mängelbeseitigung durch Software-Update aufklären

Der BGH weist allerdings – jedenfalls auf Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen – die weitere Annahme des Berufungsgerichts als nicht tragfähig zurück, auf die andere Art der Nacherfüllung könne nicht ohne erhebliche Nachteile für den Kläger zurückgegriffen werden (§ 439 Abs. 3 Satz 2 Alt. 3 BGB a. F.). Insoweit sei zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts zu billigen, dass der auf Ersatzlieferung in Anspruch genommene Verkäufer den Käufer nicht unter Ausübung der Einrede der Unverhältnismäßigkeit auf Nachbesserung verweisen darf, wenn er den Mangel nicht vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigen kann. Ob dies vorliegend allerdings der Fall sei, lasse sich (noch) nicht beurteilen. Insoweit hätte das Berufungsgericht – im Wege eines (ergänzenden) Sachverständigengutachtens – der Behauptung der Beklagten nachgehen müssen, ob die Warnfunktion bei Überhitzen der Kupplung durch das genannte Software-Update tatsächlich mit einem korrigierten Warnhinweis verknüpft wird und nicht – wie es das Berufungsgericht für möglich gehalten habe – schlicht abgestellt worden ist.

BGH, Urteil vom 24.10.2018 - VIII ZR 66/17

Redaktion beck-aktuell, 24. Oktober 2018.