BGH veröffentlicht Leitplanken für Cum-Ex-Fälle
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© Uli Deck / dpa

Die Leitlinien für künftige Anklagen wegen dubioser Börsengeschäfte liegen vor: Der Bundesgerichtshof hat am heutigen Montag seine Entscheidung veröffentlicht, mit der er im Juli ein Strafurteil des Landgerichts Bonn gegen zwei britische Aktienhändler wegen "Cum-Ex-Deals" bestätigt hatte. Doch ein genauer Blick auf die 61 Seiten mit 142 Randnummern bestätigt die alte Juristenweisheit: Es kommt drauf an.

Ein Pionier-Prozess

Es war das erste Strafurteil in Sachen Cum-Ex, und es kam unter erschwerten Umständen zustande: Die Corona-Pandemie war ausgebrochen, und die Bonner Wirtschaftsstrafkammer musste in dem Pionierverfahren befürchten, dass der Prozess zusammenbrechen würde. Die beiden angeklagten Börsenhändler aus London zeigten sich jedoch kooperativ und geständig. Die Bewährungsstrafen wegen Steuerhinterziehung von einem Jahr und zehn Monaten sowie wegen Beihilfe dazu von einem Jahr wurden vielfach als milde empfunden. Einer der beiden Briten musste zudem 14 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen, die er mit den von ihm eingefädelten Leerverkäufen rund um den Dividendenstichtag verdient hatte. Die Warburg-Bank musste als "Einziehungsbeteiligte" sogar rund 176 Millionen zurückgeben. Das Geschäftsmodell lautete stets: Die Akteure ließen sich eine gar nicht abgeführte Kapitalertragsteuer vom Finanzamt "erstatten".

"Der individuelle Sachverhalt zählt"

Das Urteil zeige, wie sehr es in diesen Fällen auf den konkreten Sachverhalt ankommt, erklärte der Düsseldorfer Steuerstrafrechtler Thorsten Franke-Roericht gegenüber der NJW. "Man kann also nicht sagen: Cum-Ex ist immer strafbar, denn Cum-Ex ist nur ein Buzzword und steht für ganz verschiedene Konstellationen." Vielmehr müsse man sich immer die spezifischen Akteure ansehen, so der Verteidiger – die eigentliche Musik spiele daher im tatsächlichen Teil des BGH-Urteils, und der sei an die Feststellungen des LG gebunden gewesen. "Nicht jeder Beteiligte in sonstigen Verfahren wird immer gemeinsam mit anderen den Gesamtplan ausgeheckt haben – manch ein Händler oder Broker kannte vielleicht nur Teilakte des Geschehens, und die zu kriminalisieren hielte ich für gefährlich." Schließlich sei auch einer der beiden Angeklagten in dem Pionierfall in einigen Punkten freigesprochen worden. Zudem falle auf, dass der BGH hier mit Blick auf die damalige Gesetzeslage Begriffe wie "offensichtlich" und "eindeutig" verwende und damit rechtliche gesicherte Erkenntnisse konstruiere, die es so über viele Jahre nicht gab.

Sendepause im Internet

Am LG Bonn sind derweil zehn Große Wirtschaftsstrafkammern zusätzlich für Cum-Ex-Verfahren eingerichtet worden. Nach WDR-Informationen ermitteln 19 Staatsanwälte sowie 30 Teams der Kölner Kripo gegen rund 1.000 Verdächtige. Für Rätselraten sorgte bei Internetnutzern, dass der BGH das Urteil zwar am frühen Montag morgen im Volltext auf seiner Webseite veröffentlicht, dann aber wieder einige Stunden lang heruntergenommen hatte. Eine Nachfrage der NJW ergab, dass noch eine Anonymisierung nachgeholt werden sollte.

BGH, Urteil vom 28.07.2021 - 1 StR 519/20

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 27. September 2021.