BGH: Abweichen teuren Dressurpferdes von physiologischer Idealnorm kein Sachmangel

Auch bei einem hochpreisigen Dressurpferd begründen Abweichungen von der physiologischen (Ideal-)Norm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel (§ 434 Abs. 1 BGB), solange die Vertragsparteien keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.10.2017 hervor, mit dem der VIII. Zivilsenat seine bisherige Rechtsprechung fortentwickelt hat. Das Gericht hat darüber hinaus entschieden, dass ein Reitlehrer und Pferdetrainer, der ein zuvor ausschließlich für private Zwecke erworbenes und ausgebildetes Dressurpferd verkauft, ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht als Unternehmer anzusehen ist, sodass der Käufer sich ihm gegenüber deshalb nicht auf die Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen kann (Az.: VIII ZR 32/16).

Pferd vor Kauf in Pferdeklinik untersucht

Der Kläger kaufte Ende 2010 aufgrund eines mündlich abgeschlossenen Vertrages vom Beklagten einen damals zehnjährigen Hannoveraner Wallach zum Preis von 500.000 Euro, um ihn als Dressurpferd bei Grand-Prix-Prüfungen einzusetzen. Der Beklagte, der selbstständig als Reitlehrer und Pferdetrainer tätig ist, hatte das Pferd zuvor für eigene Zwecke erworben und zum Dressurpferd ausgebildet. Nachdem es zweimal probegeritten und auf Veranlassung des Klägers eine Ankaufsuntersuchung in einer Pferdeklinik durchgeführt worden war, wurde das Pferd an den Kläger im Januar 2011 übergeben.

Nach Kauf Röntgenbefund zwischen Halswirbeln des Pferdes

Im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung im Juni 2011 wurde am rechten Facettengelenk des Pferdes zwischen dem vierten und dem fünften Halswirbel ein Röntgenbefund festgestellt. Hieraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und machte geltend, der Röntgenbefund sei die Ursache für schwerwiegende Rittigkeitsprobleme, die der Wallach unmittelbar nach der Übergabe gezeigt habe – das Pferd lahme, habe offensichtliche Schmerzen und widersetze sich gegen die reiterliche Einwirkung. Der Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, diese Probleme seien nach Übergabe durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Klägers verursacht worden. Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgte der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Abweichungen vom Idealzustand nicht ungewöhnlich

Wie der VIII. Zivilsenat bereits in der Vergangenheit entschieden hat (NJW 2007, 1351), wird die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der "physiologischen Norm" eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln könnte, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen. Ebenso wenig gehöre es zur üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen "Idealnorm" entspricht. Ein Käufer könne redlicherweise nicht erwarten, ein Tier mit "idealen" Anlagen zu erhalten, sondern müsse vielmehr im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind.

Andere Bewertung nur bei entsprechender Beschaffenheitsvereinbarung

Diese Grundsätze gelten – wie der Senat nunmehr entschieden hat – gleichermaßen für (hochpreisige) Dressurpferde und unabhängig davon, ob es sich um einen vergleichsweise häufig oder (wie hier) selten auftretenden Röntgenbefund handelt. Auch vorliegend vermochte der streitgegenständliche Röntgenbefund nach Auffassung des Senats deshalb keinen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB zu begründen. Denn der gerichtliche Sachverständige habe klinische Auswirkungen dieses Befunds weder für den Übergabezeitpunkt feststellen können, noch es für wahrscheinlich erachtet, dass solche zukünftig auftreten werden. Soweit ein Käufer beim Tierkauf derartige Abweichungen von der physiologischen Norm vermeiden wolle, bleibe es ihm unbenommen, mit dem Verkäufer eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB abzuschließen. Ohne eine derartige – vom Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Unrecht bejahte – Vereinbarung habe der Verkäufer allerdings nur dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich nicht in einem Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird.

"Rittigkeitsprobleme" könnten Mangel begründen

Da nach alledem ein Mangel des Dressurpferdes aufgrund des Röntgenbefundes nicht in Betracht komme, könnten allenfalls die vom Kläger behaupteten diversen "Rittigkeitsprobleme" (Lahmheit, Schmerzen, Widersetzlichkeit) einen solchen begründen. Dies gelte allerdings nur dann, wenn sie bereits bei Übergabe des Pferdes vorhanden waren und nicht erst danach auftraten, hervorgerufen etwa (so die Behauptung des Beklagten) durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Käufers. Hierzu bedürfe es weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts.

Beweislastumkehr greift nicht

In diesem Zusammenhang könne dem Kläger – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – die Beweislastumkehr des § 476 BGB nicht zugutekommen. Denn diese Vorschrift gelte nur für Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer bewegliche Sachen kauft (sogenannte Verbrauchsgüterkäufe). An einer Unternehmereigenschaft des Beklagten fehle es vorliegend jedoch, denn er handele bei diesem Verkauf des Dressurpferdes nicht "in Ausübung" seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdeausbilder. Vielmehr habe er das Pferd zuvor ausschließlich zu privaten Zwecken ausgebildet und trainiert, sodass ein Zusammenhang zu seiner beruflichen Tätigkeit nach der Entscheidung des Gerichts allenfalls äußerlicher Natur war.

BGH, Urteil vom 18.10.2017 - VIII ZR 32/16

Redaktion beck-aktuell, 18. Oktober 2017.