BGH-Senate stimmen sich ab: Vermögensabschöpfung auch im Jugendstrafrecht zwingend?

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes geht davon aus, dass im Jugendstrafrecht die Einziehung von Taterträgen im Ermessen des Gerichts steht. An einer entsprechenden Entscheidung sieht er sich aber in einem aktuellen Revisionsverfahren gehindert, weil die Rechtsprechung des 2. und 5. Strafsenats gegenläufig ist. Er will deswegen von diesen Strafsenaten wissen, ob sie an dieser Rechtsprechung festhalten. Die Strafsenate 3 und 4 sollen mitteilen, ob die dortige Rechtsprechung der vom 1. Strafsenat beabsichtigten Entscheidung entgegensteht.

Jugendkammer sah von Einziehung der Taterträge ab

Das Landgericht München II hatte den Angeklagten wegen verschiedener Vermögensdelikte zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Jugendkammer hatte auf die Taten, die der Angeklagte sämtlich als Heranwachsender begangen hatte, nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewendet. Von der Einziehung des Wertes von Taterträgen (insgesamt Geld und Waren im Wert von etwa 17.000 Euro) gegen den vermögenslosen Angeklagten hatte es nach § 73c StGB abgesehen.

LG: Einziehung von Taterträgen nach JGG Ermessensentscheidung

Zur Begründung hatte das LG unter anderem angeführt, aus der Systematik des JGG ergebe sich, dass die Einziehung von Taterträgen zwar eine zulässige Nebenfolge im Jugendstrafrecht sei, § 8 Abs. 3 JGG allerdings vorsehe, dass die Entscheidung, ob die Nebenfolge angeordnet werde, im Ermessen des Gerichts liege. Die Jugendkammer hatte das von ihr angenommene Ermessen dahingehend ausgeübt, von einer Einziehung des Wertes der Taterträge bei dem Angeklagten abzusehen. Dabei hatte sie insbesondere darauf abgehoben, dass der Angeklagte, bei dem das LG eine positive Entwicklung sieht und der die Zeit in der Justizvollzugsanstalt für eine Ausbildung nutzen möchte, nach Verbüßung der Jugendstrafe "von Null" beginnen und sich erst ein eigenständiges, selbstverantwortliches Leben schaffen müsse.

Staatsanwaltschaft geht von zwingendem Recht aus

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Entscheidung über die Einziehung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft München, die der Auffassung ist, die Einziehung von Taterträgen sei nach der Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung - wie im Erwachsenenstrafrecht - im Erkenntnisverfahren zwingend anzuordnen.

Auch 1. Strafsenat will Ermessen bejahen

Der 1. Strafsenat des BGH beabsichtigt - auf Anregung des Generalbundesanwalts - auszusprechen, dass die Entscheidung über die Einziehung von Taterträgen im Jugendstrafverfahren nach § 73 Abs. 1 StGB und des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB im Ermessen des Tatgerichts steht (§ 8 Abs. 3 Satz 1 JGG). Er möchte die Revision im Ergebnis verwerfen. Der Senat folgt im Grundsatz der Argumentation des LG München II. Diese Auslegung ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Außerdem spreche hierfür die Systematik des Gesetzes, insbesondere die Regelung in § 15 JGG.

Andere Strafsenate sollen über Festhalten an gegenläufiger Rechtsprechung entscheiden

Der 1. Strafsenat sieht sich an einer entsprechenden Entscheidung jedoch durch entgegenstehende Rechtsprechung des 2. und 5. Strafsenats gehindert. Gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG fragt der 1. Strafsenat daher bei dem 2. und 5. Strafsenat an, ob an der entgegenstehenden Rechtsprechung festgehalten wird, und bei dem 3. und 4. Strafsenat, ob dortige Rechtsprechung entgegensteht. 

BGH

Redaktion beck-aktuell, 12. Juli 2019.