BGH: Späterer Wegfall einer zunächst eingetreten Berufsunfähigkeit

ZPO §§ 286, 543 II, 552a S. 1, 564 S. 1; B-BUZ § 10 I 1

Auch wenn der Versicherer kein Anerkenntnis abgegeben hat, kann er den späteren Wegfall einer zunächst eingetretenen Berufsunfähigkeit nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nur durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügende Änderungsmitteilung geltend machen. Eine Änderungsmitteilung könne auch in einem während des Rechtsstreits übermittelten Schriftsatz des Versicherers zu sehen sein.

BGH, Beschluss vom 13.03.2019 - IV ZR 124/18 (OLG Celle), BeckRS 2019, 8595

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther
BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 11/2019 vom 29.05.2019

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Sachverhalt

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Er konnte von April 2012 bis April 2013 aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode seiner Tätigkeit als IT-Systemadministrator nicht mehr nachgehen. Zum 21.09.2015 hat er eine neue Tätigkeit als SAP-Anwendungsbetreuer aufgenommen.

Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers hat die Beklagte erstmals mit Schriftsatz von Februar 2017 im gerichtlichen Verfahren I. Instanz vorgebracht.

Das Berufungsgericht hat den entsprechenden Klageanträgen für den Zeitraum vom 01.05.2012 bis zum 30.09.2015 nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben und festgestellt, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat, soweit der Kläger die genannten Leistungen über September 2015 hinaus bis einschließlich März 2017 geltend gemacht hat.

Rechtliche Wertung

Die Revision, mit der die Beklagte die Abweisung der Klage erstrebt, hat keinen Erfolg. Sie ist nach Auffassung des erkennenden Senats unbegründet.

Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger über das Ende seiner Berufsunfähigkeit am 30.04.2013 hinaus bis zum 30.09.2015 Versicherungsleistungen beanspruchen kann und ihm diese Ansprüche ohne das erledigende Ereignis der Aufnahme einer neuen Tätigkeit bis zum 31.03.2017 zugestanden hätten.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 B-BUZ könne der Versicherer den späteren Wegfall einer zunächst eingetretenen Berufsunfähigkeit nur durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügende Änderungsmitteilung geltend machen. Dies gelte auch dann, wenn der Versicherer kein Anerkenntnis abgegeben hat. Dass er ein nach Sachlage gebotenes Anerkenntnis bislang nicht abgegeben hat, könne den Versicherer nicht freistellen von den Regeln, die er selbst in seinen Versicherungsbedingungen für die Nachprüfung von Berufsunfähigkeit aufgestellt hat.

Mache der Versicherungsnehmer mangels Anerkenntnis des Versicherers seine Ansprüche im Weg der Klage geltend und führe dort den Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, stehe dem Versicherer im selben Rechtsstreit der Beweis offen, dass und ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen nach der für das Nachprüfungsverfahren geltenden Versicherungsbedingung eingetreten sind. Dies ändere aber nichts an der Erforderlichkeit einer Änderungsmitteilung. Die für das Nachprüfungsverfahren geltenden Versicherungsbedingungen sähen vielmehr auch im vorliegenden Fall die Abgabe einer Änderungsmitteilung vor, § 9 Abs. 1 Satz 2 B-BUZ.

Eine Änderungsmitteilung könne auch in einem während des Rechtsstreits übermittelten Schriftsatz des Versicherers zu sehen sein. Wolle der Versicherer an seiner Behauptung, der Versicherungsnehmer sei von Anfang an nicht berufsunfähig gewesen, festhalten, bleibe es ihm unbenommen, während des Rechtsstreits auch hilfsweise eine Änderungsmitteilung an den Versicherungsnehmer zu richten.

Praxishinweis

Das Berufungsgericht hatte die Revision zugelassen, da es meinte, von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe abzuweichen. Der BGH hat indes klargestellt, dass die Abweichung auf Unterschieden im Sachverhalt und nicht auf unterschiedlichen Rechtssätzen beruht.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 24.10.2006 - 12 U 109/06, r+s 2007, 114) hatte für die Sachverhaltskonstellation, dass der Versicherte bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit gegenüber dem Versicherer erst zu einem Zeitpunkt geltend macht, in dem die Berufsunfähigkeit bereits wieder entfallen war, entschieden, dass die Leistungsablehnung des Versicherers, der kein Anerkenntnis abgegeben hat, für den Zeitraum nach Wegfall der Berufsunfähigkeit nicht die Einhaltung der Förmlichkeiten des Nachprüfungsverfahrens voraussetzt. Andernfalls hätte es der Versicherungsnehmer in der Hand, durch eine spätere Geltendmachung von Ansprüchen die Leistungspflicht des Versicherers zu verlängern, wenn man diesen an der Notwendigkeit einer Änderungsmitteilung festhielte.

Im vorliegenden Sachverhalt hingegen hatte der Kläger seinen Leistungsantrag zu einem Zeitpunkt gestellt, als die vom Berufungsgericht festgestellte Berufungsunfähigkeit noch andauerte.

Redaktion beck-aktuell, 14. Juni 2019.