Rechte von Investoren bei Insolvenz von Solarpark
Lorem Ipsum
© Jörg Lantelme / stock.adobe.com

Wer in einen Solarpakt investiert, dessen Betreiber pleite geht, hat es schwer. Nicht nur, dass die erhoffte (und mitunter sogar "garantierte") Rendite ausbleibt. Sondern der Insolvenzverwalter macht auch selbst noch Ansprüche geltend. Der Bundesgerichtshof hat nun Vorgaben gemacht für den Umgang mit diesen schwierigen Fragen an der Schnittstelle von Kapitalmarkt- und Sachenrecht – und zum Aufeinandertreffen von "Energiewende" und "grauem Kapitalmarkt".

Kapitalanleger hofften auf Rendite

Zugrunde lagen den vier Urteilen, die der BGH am heutigen Freitag verkündet hat, Klagen eines Insolvenzverwalters. Dieser betreut die Hinterlassenschaften eines Unternehmens, das 2010 eine Freiland-Photovoltaikanlage erworben hatte. Zu dem Solarpark gehörten 5.000 Photovoltaikmodule und neun Wechselrichter mit einer Gesamtleistung von 1.050 Kilowatt in der Spitze (kWp); er war im Vorjahr auf dem Grundstück eines Dritten errichtet worden. An dem erhielt die Gesellschaft ein Nutzungsrecht. Bald darauf verkaufte sie die glitzernden Einzelbestandteile dieser Anlage an 65 Kapitalanleger. Hieran sollten sie Eigentum erwerben, ebenso an einem Miteigentumsanteil an der Unterkonstruktion der Anlage. Den Betrieb gab sie jedoch nicht ganz aus der Hand: Die Module ließ sie von den Geldgebern zurück an ein eigenes Tochterunternehmen vermieten.

Doch der Pleitegeier kreiste

Nach sechs Jahren musste der Insolvenzverwalter aber das Ruder übernehmen. In mehreren Verfahren wollte der nun feststellen lassen, dass die beklagten Investoren kein Eigentum an den Modulen und der Unterkonstruktion einschließlich "aller Schienen, Schrauben, Halterungen und Dachanbindungen sowie sämtlicher Leitungen und Zubehör" erworben hätten. Die befürchteten nicht nur einen Verlust ihrer Investments und der "garantierten" Rendite, sondern eine Pflicht zur Rückzahlung der vereinnahmten Mieten. Daher erhoben sie Widerklage und verlangten Herausgabe der Bauelemente, woraufhin alle Beteiligten den ursprünglichen Streit für erledigt erklärten.

Drei OLGs, drei Meinungen 

Unterschiedlich fielen die Urteile der Oberlandesgerichte zu den Gegenforderungen aus: Die Richter in München und Bamberg gaben ihnen statt, deren Kollegen in Karlsruhe wiesen sie ab. Die Bundesrichter wollten nun zunächst klären, ob Solarmodule, die in eine Freiland-Photovoltaikanlage eingebaut werden, gem. § 93 BGB als wesentliche Bestandteile anzusehen sind; ohne Trennung von der Anlage könnten sie dann nicht gesondert übereignet werden. Das OLG Bamberg verneinte dies wegen der Austauschbarkeit der Komponenten zum Zeitpunkt des Einbaus. Werde dies hingegen bejaht, schrieb der BGH in seiner Terminvorschau, wären die Kristallinzellen nur sonderrechtsfähig, wenn sie - wie das OLG München annimmt - als Scheinbestandteile der Anlage anzusehen sein sollten. Das OLG Karlsruhe wiederum meint, die Solaranlage sei insgesamt als Gebäude (§ 94 BGB) anzusehen.

Licht im juristischen Dunkel

In dieses Dickicht von Rechtsmeinungen hat der fürs Sachenrecht zuständige V. Zivilsenat am BGH jetzt Breschen geschlagen. Zufrieden war er mit keinem der Berufungsurteile - er hob sie allesamt auf. Sein Ausgangspunkt: Ein Eigentumserwerb der jeweiligen Beklagten setze voraus, dass die Module zum Zeitpunkt der Übereignung sonderrechtsfähig, also weder wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 BGB) noch der Photovoltaikanlage (§ 93 BGB oder § 94 Abs. 2 BGB) waren. Zu Recht seien die Oberlandesgerichte davon ausgegangen, dass die Photovoltaikanlage selbst - und damit die Module als Teile dieser - nicht nach § 94 Abs. 1 BGB wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind. Denn die Anlage sei mit diesem nicht fest verbunden. Auch als Scheinbestandteil (§ 95 BGB) sei sie nicht anzusehen, da sie aufgrund eines Nutzungsvertrags errichtet wurde, der ihren Abbau zum Ende der Vertragslaufzeit vorsieht.

"Kein eigenes Gebäude"

Die Module sind dem Richterspruch zufolge aber auch nicht deshalb wesentliche Bestandteile der Anlage, weil diese etwa als Gebäude anzusehen wäre, in das die Module zur Herstellung eingefügt wurden (§ 94 Abs. 2 BGB). Gebäude im Sinne dieser Vorschrift seien zwar auch andere größere Bauwerke, deren Beseitigung eine einem (Teil-)Abriss im engeren Sinne vergleichbare Zerschlagung wirtschaftlicher Werte bedeute. Ein solches setze in diesem Zusammenhang aber regelmäßig etwas mit klassischen Baustoffen "Gebautes" von solcher Größe und Komplexität voraus, dass die Beseitigung die Zerstörung oder wesentliche Beschädigung sowie den Verlust der Funktionalität der Sache zur Folge hätte, heißt es in der Pressemitteilung der obersten Zivilrichter. "Eine Freiland-Photovoltaikanlage stellt jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - aus einer gerüstähnlichen Aufständerung aus Stangen oder Schienen sowie darin eingesetzten Photovoltaikmodulen besteht, kein Gebäude i.S.v. § 94 BGB dar."

Noch eine ganz andere Variante

Die Module könnten aber wesentliche Bestandteile der Gesamtanlage sein (§ 93 BGB), gehen die Überlegungen der Karlsruher Sachenrechtler weiter. Ob ein Bestandteil im Sinne dieser Vorschrift wesentlich sei, bestimme sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Verbindung, wenn es darauf ankomme, ob Rechte Dritter an dem Bestandteil infolge der Verbindung untergegangen sind. Sei dagegen - wie hier - zu beurteilen, ob Rechte Dritter an einem Bestandteil begründet werden können, der bereits in eine zusammengesetzte Sache eingefügt ist, komme es auf die Verhältnisse bei Entstehung des Rechts an - und darauf, welche Folgen der gedachte Ausbau in diesem Zeitpunkt gehabt hätte. "Hätten die Module bei der Übereignung im Fall der Trennung noch durch zumindest vergleichbare, auf dem Markt verfügbare Modelle ersetzt und ihrerseits in anderen Anlagen verwendet werden können, wären sie sonderrechtsfähig gewesen", stellt der BGH klar. Und hiervon könne angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen der Errichtung der Anlage und Übereignung der Module an die Anleger ausgegangen werden, wenn der Kläger nichts Anderes belegt. Unerheblich sei hingegen, ob die gesamte Anlage durch den Ausbau eines oder mehrerer Module die bisherige Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verloren und nur noch eine geringere Einspeisevergütung erhalten hätte, weil für sie dann ein neues Fertigstellungsdatum gegolten hätte.

Segelanweisungen für die Vorinstanzen

Sollten die Module nach den genannten Maßstäben als wesentliche Bestandteile der Anlage anzusehen sein, ergäbe sich ihre Sonderrechtsfähigkeit nicht daraus, dass sie Scheinbestandteile darstellten (§ 95 Abs. 1 BGB), gibt der Senat den unteren Instanzen mit auf den Weg. Denn diese Vorschrift, nach der zu den Bestandteilen eines Grundstücks keine Sachen gehören, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind, sei auf Bestandteile einer beweglichen Sache (§ 93 BGB) nicht entsprechend anwendbar. Das Fazit: "Die Photovoltaikanlage ist eine bewegliche Sache im Rechtssinne, weil sie weder ein Gebäude noch wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist." Sollten die Module nicht als wesentliche Bestandteile der Gesamtanlage anzusehen sein, müssten die Berufungsgerichte also als Nächstes klären, ob diese in den Lageplänen deutlich genug gekennzeichnet waren - nur dann hätte die dingliche Einigung dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügt. Auch sollen sie genauer prüfen, wie Module und Unterkonstruktion an die jeweiligen Beklagten übergeben wurden beziehungsweise dieser Vorgang nach §§ 929 ff. BGB ersetzt worden sei.

BGH, Urteil vom 22.10.2021 - V ZR 225/19

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 22. Oktober 2021.