BGH: Pharmakonzern erhält keine vorläufige Patent-Benutzungserlaubnis für cholesterinsenkenden Antikörper

Im Streit um die konkurrierenden Cholesterinsenker Praluent und Repatha erhält der Pharmakonzern Sanofi-Aventis keine vorläufige Erlaubnis zur Benutzung des Antikörpers Alirocumab, der unter ein Patent des Repatha-Herstellers Amgen fällt. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 04.06.2019 entschieden und das Bundespatentgericht bestätigt. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zwangslizenz seien nicht glaubhaft gemacht worden (Az. X ZB 2/19).

Konkurrierende Cholesterinsenker

Die Antragstellerinnen vertreiben in Deutschland das Arzneimittel Praluent, das den Wirkstoff Alirocumab enthält. Dabei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, der das Proprotein Convertase-Subtilisin-Kexin Typ 9 (PCSK9) hemmt und damit den LDL-Cholesterinwert im Blut senkt. Die Antragsgegnerin vertreibt unter der Bezeichnung Repatha ein Arzneimittel, das den ebenfalls gegen das Protein PCSK9 gerichteten Antikörper Evolocumab enthält.

Antragsgegnerin hält Patent für Alirocumab

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents 2 215 124, das antigenbindende Proteine gegen das Protein PCSK9 betrifft. Darunter fällt auch der Antikörper Alirocumab. Das Europäische Patentamt hat das Patent nach Einspruch in geänderter Fassung aufrechterhalten. Über die gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerden ist noch nicht entschieden worden. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerinnen wegen Verletzung ihres Patents vor dem Landgericht Düsseldorf unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Antragstellerinnen begehrten vorläufige Patent-Benutzungserlaubnis

Im Juli 2018 klagten die Antragstellerinnen vor dem Bundespatentgericht auf Erteilung einer Zwangslizenz nach § 24 PatG und beantragten zugleich, ihnen die Benutzung der Erfindung durch das Arzneimittel Praluent in vier näher bezeichneten Abgabeformen im Wege einer einstweiligen Verfügung nach § 85 PatG vorläufig zu gestatten. Das Patentgericht wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Dagegen legten die Antragstellerinnen Beschwerde ein.

BGH bestätigt BPatG: Keine ausreichenden Bemühungen um vertragliche Patentlizenz

Der BGH hat die Entscheidung des BPatG bestätigt. Er sieht wie die Vorinstanz keine ausreichenden Bemühungen der Antragstellerinnen während eines angemessenen Zeitraums um die vertragliche Einräumung einer Lizenz an dem Patent. Welche Bemühungen nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 PatG erforderlich seien und über welchen Zeitraum sie sich erstrecken müssten, sei eine Frage des Einzelfalls.

Interesse spät bekundet und nur geringe Lizenzgebühr angeboten

Im Streitfall hätten die Antragstellerinnen erst spät überhaupt ihr Interesse an einer Lizenz bekundet und lediglich einen sehr niedrigen Lizenzsatz angeboten. Auf das Antwortschreiben der Antragsgegnerin, die eine Lizenzvergabe nicht schlechthin abgelehnt habe, hätten sie bis zur Entscheidung des Patentgerichts nicht reagiert. Weitere, während des Beschwerdeverfahrens übersandte Schreiben seien ebenfalls nicht als ernsthaftes Bemühen um eine vertragliche Einigung anzusehen.

Kein öffentliches Interesse an Zwangslizenz: Greifbare therapeutische Vorteile nicht glaubhaft gemacht

Der BGH hat ferner wie das Patentgericht ein die Erteilung einer Zwangslizenz gebietendes öffentliches Interesse verneint. Es sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass Praluent gegenüber dem Medikament Repatha der Antragsgegnerin greifbare therapeutische Vorteile bietet.

Praluent und Repatha gleich wirksam

Praluent und Repatha beruhten auf dem gleichen Wirkungsmechanismus. Dieser begünstige den Cholesterinabbau und ermögliche eine deutliche Absenkung des Cholesterinspiegels, die nach den Ergebnissen der dazu durchgeführten Studien dazu führe, dass das Risiko eines schweren kardiovaskulären Vorfalls wie eines koronaren Herztods, eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls oder einer instabilen Angina um etwa 15% gesenkt wird. Da diese bedeutsame pharmakologische Wirkung von beiden Antikörpern erzielt werde, könne sie allein das öffentliche Interesse an der begehrten Zwangslizenz nicht begründen.

Praluent-Studienergebnisse statistisch nicht signifikant

Wie das BPatG sieht auch der BGH es nicht als glaubhaft gemacht an, dass die Gabe von Praluent die Mortalitätsrate mit diesem Wirkstoff behandelter Hypercholesterinämie-Patienten senkt. Nach den Ergebnissen der zu Praluent durchgeführten klinischen Studie hätten zwar in der Praluent-Gruppe weniger Patienten einen koronaren Herztod erlitten oder seien wegen eines kardiovaskulären Krankheitsbilds verstorben als in der Kontrollgruppe. Nach anerkannten biostatistischen Grundsätzen seien diese Ergebnisse aber statistisch ebenso wenig signifikant wie die unterschiedlichen (nicht nach Todesursache unterscheidenden) Gesamtzahlen der Todesfälle, sondern könnten auch auf Zufall beruhen.

Auch keine sonstigen Anhaltspunkte für Vorteile

Laut BGH gibt es auch sonst keinen Anhaltspunkt dafür, dass Praluent im Vergleich zu Repatha trotz übereinstimmenden Wirkungsmechanismus` und trotz gleicher Wirksamkeit hinsichtlich des Risikos eines schweren kardiovaskulären Vorfalls – der wiederum das Risiko eines weiteren, tödlichen Infarkts oder Schlaganfalls erhöht – die Mortalitätsrate von Patienten senke, die mit einem PCSK9-Hemmer behandelt werden. Schließlich hat der BGH es auch nicht als glaubhaft gemacht angesehen, dass die Möglichkeit, Praluent niedriger als Repatha zu dosieren, die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet. 

BGH, Urteil vom 04.06.2019 - X ZB 2/19

Redaktion beck-aktuell, 5. Juni 2019.