BGH: Niedrige tatsächliche Voraussetzungen bei der Annahme des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs

StGB § 263 III Nr. 1, V; StPO § 264

Ein Bandenbetrug liegt vor, wenn sich mindestens drei Personen dazu verbunden haben, für eine gewisse Dauer mehrere selbständige Betrugstaten zu begehen. Unschädlich ist, wenn diese Taten für einzelne Tatbeteiligte aufgrund eines einheitlichen Organisationsbeitrages in Tateinheit zueinander stehen. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Urteil vom 19.04.2017 - 2 StR 290/16, BeckRS 2017, 112019

Anmerkung von
Rechtsanwalt Björn Krug, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht, Knierim & Krug Rechtsanwälte, Mainz

Aus beck-fachdienst Strafrecht 12/2017 vom 22.06.2017

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Sachverhalt

Die Angeklagten A und B haben zusammen mit dem früheren Mitangeklagten C nach einem gemeinsamen Tatplan eine Organisationsstruktur errichtet, mittels derer sie zwischen Februar und Dezember 2011 Telefonverkäufer in Callcentern einsetzten, um potentiellen Anlegern telefonisch den vorbörslichen Erwerb von Aktien eines Schweizer Unternehmens, der E.AG, anzubieten. Bei der dem C gehörenden E.AG handelte es sich um eine Vorratsgesellschaft, die nie eine Geschäftstätigkeit entfalten sollte und für die auch kein Börsengang geplant war. Die von den Angeklagten instruierten Telefonverkäufer, die sich unter Verwendung von Alias-Namen als Mitarbeiter eines international tätigen Finanzdienstleisters ausgaben, erklärten den Anlegern unter Herausstellung hoher Gewinnerwartungen bewusst wahrheitswidrig, dass die E.AG mit seltenen Erden aus China handele und an die Börse gehen werde. Die Anleger vertrauten auf diese Angaben, unterschrieben Zeichnungsscheine der E.AG und überwiesen den vermeintlich fälligen Kaufpreis auf vom früheren Mitangeklagten C eröffnete vermeintliche Treuhandkonten in der Schweiz. Einen Gegenwert in Form von Aktien erhielten die Geschädigten nicht. Auf diese Weise sind vier Anleger in 15 Fällen zur Zahlung von insgesamt 540.891 EUR veranlasst worden. Die Beträge seien vom früheren Mitangeklagten C abgehoben worden. Nach Abzug seines eigenen Anteils ihd Hälfte der eingezahlten Beträge, habe er den Rest an die A und B ausgezahlt. Die Angeklagten beglichen damit die eigenen Kosten, insbesondere die Provisionen der Telefonverkäufer, iHv 5-20 % des eingegangenen Betrags. Den Rest verwendeten sie, wie geplant, als regelmäßige Einnahme für ihren Lebensunterhalt.

Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die Strafkammer ihre Feststellungen zum Tatgeschehen auch auf die Angaben von drei im Tatzeitraum durch die Zeichnung von Aktien der E.AG ebenfalls geschädigten Zeugen gestützt und insoweit Schadenshöhen von 74.000 EUR, 88.000 EUR und 19.000 EUR genannt. Das LG hat – während die Anklage noch von 15 tatmehrheitlich begangenen Taten ausgegangen war – angenommen, dass die Angeklagten sich jeweils des Betrugs „in der Form des uneigentlichen Organisationsdelikts" schuldig gemacht haben. Im Rahmen der Strafzumessung ist es von einem besonders schweren Falles gemäß § 263 III 2 Nr. 1 StGB ausgegangen und hat zu Lasten der Angeklagten die aus 15 Fällen resultierende Gesamtschadenshöhe von 540.891 EUR berücksichtigt.

Das LG hat A wegen Betrugs unter Einbeziehung einer anderen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten und B wegen Betrugs unter „Einbeziehung" einer weiteren Gesamtstrafe (und Einbeziehung der dort erkannten Einzelstrafen) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Rechtliche Wertung

Der Schuldspruch nur wegen Betrugs halte rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da das LG bei beiden Angeklagten eine Verurteilung wegen des – nach den Feststellungen hier naheliegenden – Qualifikationstatbestandes des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges (§ 263 V StGB) nicht erwogen habe. Der Begriff der Bande setze den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich aufgrund einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Abrede verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige Taten des Betruges zu begehen. Dabei sei es unschädlich, wenn diese Taten für einzelne Tatbeteiligte auf Grund eines einheitlichen Organisationsbeitrages in Tateinheit zueinander stehen. Die Feststellungen wiesen auf eine ausdrückliche Bandenabrede im Sinne des § 263 V StGB zwischen den Angeklagten und dem gesondert verfolgten C hin. Während die Angeklagten entsprechend der bei einem Treffen in der Schweiz getroffenen Vereinbarung für die Organisation des Callcenters – Einrichtung, Verwaltung und Überwachung – sowie die Beschaffung der Unternehmensunterlagen (Verkaufsprospekte, Zeichnungsscheine und Internetauftritt) verantwortlich gewesen seien und hierfür mit einem Anteil von 50 % der betrügerisch erlangten Gelder „entlohnt" werden sollten, habe dem C die Lenkung der Geschäfte in der Schweiz, namentlich die Bereitstellung des emittierenden Unternehmens und die Einrichtung der vermeintlichen Treuhandkonten, oblegen. Für die drei hätten die mit den Betrugshandlungen erlangten Gelder eine dauerhafte Einnahmequelle in erheblicher Höhe bilden sollen.

Die Aufhebung des Schuldspruchs entziehe dem Strafausspruch die Grundlage. Die Sache bedürfe hinsichtlich beider Angeklagter neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neu zu treffenden Feststellungen habe der neue Tatrichter zu prüfen, ob und inwieweit weitere – von der Anklage umfasste – Schadensfälle einzubeziehen sind, um der Kognitionspflicht aus § 264 StPO zu genügen. So werde der neu entscheidende Tatrichter zu erwägen haben, ob auch die in der Anklage erwähnten und im Urteil skizzierten, die drei weiteren Zeugen betreffenden Vorgänge, bei denen es auch um den Erwerb von Aktien der E.AG ging, Verfahrensgegenstand sind und damit der Aburteilung unterliegen.

Praxishinweis

Die Abgrenzung zwischen (bloßer) Mittäterschaft nach § 25 II StGB und einer bandenmäßigen Begehung bereitet in der Praxis häufig Probleme, zumal die Voraussetzungen einer Bande – die Begehung mehrerer Taten durch mind. drei Beteiligte einmal vorausgesetzt – denkbar niedrig sind (vgl. hierzu auch Fischer, StGB, § 263 Rn. 213). Beim Betrug sind die Folgen dabei gravierend, denn aus dem Regelbeispiel des § 263 III 2 Nr. 1 StGB wird damit schnell der Verbrechenstatbestand des § 263 V StGB. Dessen Strafmaß von bis zu zehn Jahren bedingt, dass nach § 78 III Nr. 3 StGB die zehnjährige Verfolgungsverjährung eingreift und damit auch längst verjährt geglaubte Taten bestraft werden können. Dazu kommt, dass bei der Einsatzstrafe von einem Jahr schon wenige Taten genügen, um eine Gesamtstrafe über das bewährungsfähige Maß hinaus zu begründen. Mit Blick darauf sollte die Verteidigung frühestmöglich auf eine besonders saubere Abgrenzung von Mittäterschaft und Bande Wert legen, auch wenn die Rechtsprechung hierzu wenig greifbare Argumente an die Hand gibt (vgl. mit einem bedenkenswerten, vom BGH aber nicht weiter verfolgten Ansatz bspw. LG Berlin StV 2004, 545).

Redaktion beck-aktuell, 30. Juni 2017.