Nährwertangaben auf vorverpackten Lebensmitteln
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© BGH in Urteilsgründen zu Az. I ZR 143/19

Darf eine Müsliherstellerin bei den Nährwertangaben auf der Packung zwischen den Bezugsgrößen Trockenmüsli und zubereitetes Müsli wechseln? Der Bundesgerichtshof setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof mit Beschluss vom 23.07.2020 Fragen zur Nährwertdeklaration bei Lebensmitteln vor, die in der Regel noch nicht essfertig sind.

Nährwert vom Produkt oder vom zubereiteten Lebensmittel?

Das Produkt "Vitalis Knuspermüsli Schoko + Keks" enthält auf der Schmalseite seiner Verpackung die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben zu den enthaltenen Nährwerten des Müslis. Weiter gibt die Produzentin den Brennwert und Fett-, Zucker- und Salzmengen bezogen auf eine aus 40 Gramm des Artikels und 60 Milliliter Milch mit einem Fettgehalt von 1,5% bestehende 100-Gramm-Portion des zubereiteten Müslis an. Mit diesen zusätzlichen Angaben wirbt die Herstellerin auch auf der Vorderseite der Verpackung. 

Streit mit Verbraucherzentrale

Nach Ansicht des Bundesverbands der Verbraucherzentralen verstößt die Beklagte gegen die Lebensmittelinformationsverordnung, weil sie auf der Schauseite der Verpackung nur den Brennwert von 100 Gramm des essfertigen Müslis angegeben hat. Sie verlangt von der Herstellerin, den Brennwert "pro 100 Gramm des Produkts" ebenfalls auf die Vorderseite der Verpackung zu drucken. Das Landgericht Bielefeld hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht Hamm hat sie abgewiesen. Die Verbraucherzentrale verfolgte ihre Forderung vor dem Bundesgerichtshof weiter.

EuGH-Vorlage

Der BGH will vom Europäischen Gerichtshof wissen, ob es nach den Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 und Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) verboten ist, mit Nährwertinformationen pro Portion des zubereiteten Lebensmittels zu werben, ohne zusätzlich den Brennwert je 100 g des Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs anzugeben. Fraglich sei zunächst, ob die Müsliherstellerin überhaupt zwischen den Bezugsgrößen "Verkauftes Produkt" und "Zubereitetes Produkt" wählen durfte. Das hänge davon ab, ob Art. 31 LMIV allein für Lebensmittel gelte, bei denen eine Zubereitung erforderlich und deren Zubereitungsweise vorgegeben sei (wie etwa für Instantsuppen). Gelte die Norm auch für Müsli, welches man auf mehrere Weisen zubereiten kann, habe die Herstellerin die freie Wahl, erklärte der I. Senat.

Vergleichbarkeit der Produkte

Der Sinn der Lebensmittelinformationsverordnung liege darin, dem Verbraucher die Vergleichbarkeit der Produkte in unterschiedlichen Packungsgrößen zu ermöglichen. Die Informationen sollten einfach und leicht verständlich sein. Da man das Knuspermüsli auf vielerlei Arten zubereiten kann, sind die Angaben für das essfertige Produkt für einen Vergleich nicht brauchbar, so die Karlsruher Richter. Wechsle die Herstellerin innerhalb einer Packung zwischen den Bezugsgrößen Trockenmüsli und dem essfertigen Müsli, erhöhe sie die Gefahr der Irreführung der Verbraucher.

Versuchte Verfremdung

Wer nicht durch vorangegangene Berichterstattung wusste, dass sich das Verfahren gegen Dr. Oetker richtete, erfuhr es nach einem Blick in das Urteil. Auf Seite 5 hatte der BGH die komplette Vorderseite der Verpackung abgebildet. Immerhin wurde dort der Herstellername zu "Dr. O" verkürzt. Der Versuch sorgte bei Twitter in mehreren Beiträgen für Heiterkeit - auch in Bezug auf die jüngste Diskussion um die Anonymisierung von BGH-Urteilen.

BGH, Beschluss vom 23.07.2020 - I ZR 143/19

Redaktion beck-aktuell, 11. August 2020.