BGH: Gesetzlicher Fiskalerbe haftet für Wohngeldschulden in WEG regelmäßig nur mit dem Nachlass

Ist der Fiskus zum gesetzlichen Alleinerben eines Wohnungseigentümers berufen, haftet er für die nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründeten Wohngeldschulden in aller Regel nur mit dem Nachlass. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.12.2018 entschieden. Etwas anderes gelte ausnahmsweise dann, wenn der Fiskus die Wohnung erkennbar zu eigenen Zwecken nutzen will und dadurch seine Rolle als Nachlassabwickler verlässt (Az.: V ZR 309/17).

Fiskus wurde gesetzlicher Alleinerbe eines Wohnungseigentümers

Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das klagende Land (im Folgenden: Kläger) ist gesetzlicher Alleinerbe eines im Juni 2006 verstorbenen Wohnungseigentümers (§ 1936 BGB). Bis Januar 2007 zog der Kläger die Mieten des seinerzeitigen Mieters der Wohnung ein und zahlte an die Beklagte Wohngeld für die Monate Januar bis März 2007. Ab Februar 2007 stand die Wohnung leer. Mit Schreiben vom 05.06.2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, die Wohnung bis zur Veräußerung selbst zu verwalten. Auf seinen Antrag eröffnete das Insolvenzgericht im Juli 2009 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers. Der eingesetzte Insolvenzverwalter gab die Eigentumswohnung im August 2009 aus der Insolvenzmasse frei. Das Insolvenzverfahren wurde im Mai 2010 aufgehoben. Auf Antrag der Beklagten wurde die Wohnung im April 2011 zwangsversteigert.

WEG betreibt gegen Fiskus Zwangsvollstreckung wegen Wohngeldschulden - Land erhebt Dürftigkeitseinrede

Unterdessen erwirkte die Beklagte gegen den Kläger drei Anerkenntnisurteile in Bezug auf das Wohngeld für einen Zeitraum ab September 2009. Aus diesen Urteilen, in denen dem Kläger jeweils die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten wurde, betreibt die Beklagte die Zwangsvollstreckung. Mit der Klage (Vollstreckungsgegenklage) wollte der Kläger gestützt auf die sogenannte Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB erreichen, dass die Zwangsvollstreckung in sein nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen für unzulässig erklärt wird. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das Landgericht die Klage ab.

BGH hält Dürftigkeitseinrede für zulässig: Wohngeldschulden hier als Nachlassverbindlichkeiten zu beurteilen

Der BGH hat der Revision stattgegeben und das Urteil des LG aufgehoben. Bei den titulierten Wohngeldschulden handele es sich nicht um Eigenverbindlichkeiten des Klägers, sondern um Nachlassverbindlichkeiten, die den Kläger grundsätzlich zur Erhebung der Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB berechtigen. Wie der Senat ausführt, hafteten andere Erben als der Fiskus nach seiner Rechtsprechung für die nach dem Erbfall fällig werdenden Wohngeldschulden spätestens dann auch mit ihrem eigenen Vermögen, wenn sie die Erbschaft angenommen haben oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist. Dies lasse sich aber auf die Haftung des zum gesetzlichen Alleinerben berufenen Fiskus nicht übertragen, weil ihm gemäß § 1942 Abs. 2 BGB das Recht versagt sei, die Erbschaft auszuschlagen. Ob ein Verhalten des Fiskus die Qualifizierung der Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeit rechtfertige, müsse deshalb unter Berücksichtigung des Zwecks und der Besonderheiten des Fiskalerbrechts nach anderen Kriterien bestimmt werden.

Wohngeldschulden des gesetzlichen Fiskalerben in aller Regel Nachlassverbindlichkeiten

Laut BGH stellen Wohngeldschulden hiernach in aller Regel nur Nachlassverbindlichkeiten dar. Der Fiskus nehme eine Ordnungsfunktion wahr. Herrenlose Nachlässe sollen vermieden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung solle gesichert werden. In aller Regel werde der Fiskus deshalb bei seinen Handlungen nur seiner gesetzlichen Aufgabe nachkommen, den Nachlass abzuwickeln.

Ausnahme: Fiskus will Wohnung erkennbar zu eigenen Zwecken nutzen

Nur wenn der Fiskus seine Rolle als Nachlassabwickler verlasse, er also zu erkennen gebe, die Wohnung zu eigenen Zwecken nutzen zu wollen, sei es gerechtfertigt, die Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeiten zu qualifizieren, bei denen eine Haftungsbeschränkung ausgeschlossen sei, so der BGH. Die Wohnungseigentümergemeinschaft werde durch die Annahme einer Nachlassverbindlichkeit nicht unangemessen benachteiligt. Denn sie könne in der Regel ihre Rechte im Weg der Zwangsversteigerung effektiv durchsetzen, weil die Wohngeldansprüche in dem Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG bevorrechtigt seien und den Rechten der nachfolgenden Rangklassen - insbesondere denjenigen von Kreditgebern und Vormerkungsberechtigten - vorgingen.

LG muss nun Dürftigkeit des Nachlasses prüfen

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fehle es hier an einem Verhalten des Klägers, das über die Wahrnehmung der Aufgaben der Verwaltung und der Abwicklung des Nachlasses hinausgehe und den Schluss zulasse, der Kläger wolle die Wohnung für eigene Zwecke nutzen, schließt der BGH. Das LG müsse nun neu über die Sache entscheiden, weil bislang offen sei, ob der Nachlass tatsächlich dürftig im Sinne des § 1990 Abs. 1 BGB ist. 

BGH, Urteil vom 14.12.2018 - V ZR 309/17

Redaktion beck-aktuell, 14. Dezember 2018.