"Gesamtstrafenbildung" mit ausländischen Strafen

Der Bundesgerichtshof gibt seine Rechtsprechung zum pauschalen Härteausgleich bei gesamtstrafenfähigen ausländischen Strafurteilen auf. Die Einbeziehung einer im Ausland verhängten Strafe im Rahmen der Gesamtstrafenbildung sei aus völkerrechtlichen Gründen unzulässig. Der Nachteil, der den betroffenen Angeklagten hieraus erwachse, sei im Strafurteil konkret zu beziffern und von der Strafe abzuziehen.

Zwölf Einträge im Bundeszentralregister

In einem Strafverfahren wegen schwerer räuberischer Erpressung stellte das Landgericht Augsburg fest, dass der Angeklagte auch in Italien bereits straffällig geworden war: Es gab neun Verurteilungen vor und drei Verurteilungen nach der jetzt abzuurteilenden Tat. Grundsätzlich waren die von Italien verhängten Freiheitsstrafen in Höhe von zwei Jahren und vier Monaten gesamtstrafenfähig. Das Landgericht berücksichtigte strafmildernd, dass der Italiener nach Begehung der räuberischen Erpressung eine mehrjährige Haftstrafe in Italien verbüßt hatte, und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten. Der Angeklagte wehrte sich hiergegen beim BGH. Dieser verwies den Fall an eine andere Kammer zurück.

Gesamtstrafenbildung nicht möglich

Wegen der Souveränität anderer Staaten ist eine Gesamtstrafenbildung nicht möglich, selbst wenn die Voraussetzungen der §§ 54, 55 StGB vorliegen: Die Einbeziehung der in dem südeuropäischen Land verhängten Strafen in eine neue Gesamtstrafe würde dazu führen, dass die italienische Strafe nicht mehr vollstreckt werden dürfte, erklärte der Bundesgerichtshof. Ein derartiger Eingriff in die Vollstreckungshoheit der Republik Italien sei aus völkerrechtlichen Gründen unzulässig. Es gelte also, einen Ausgleich dafür zu finden, dass die Zusammenziehung der Einzelstrafen nicht möglich sei.

Nachteil konkret ausweisen und von Strafe abziehen

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müssten Verurteilungen in einem anderen Mitgliedsstaat genauso bei der Strafzumessung berücksichtigt werden wie inländische Sanktionen. Das heißt, der Strafrichter muss bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 54, 55 StGB den Nachteil der unterbliebenen Gesamtstrafenbildung konkret beziffern, folgerte der I. Strafsenat. Seine bisherige Rechtsprechung, wonach ein unbestimmter Härteausgleich genüge, hat er damit aufgegeben. Zur Bestimmung des Nachteilsausgleichs muss der Tatrichter zunächst einmal die der italienischen Strafen zugrundeliegenden Sachverhalte und den Vollstreckungsstand ermitteln, bestimmten die Karlsruher Richter.

BGH, Beschluss vom 23.04.2020 - 1 StR 15/20

Redaktion beck-aktuell, 6. August 2020.