Drittschutzcharakter einer Gewässerunterhaltungspflicht

Grundsätzlich entfaltet die Pflicht eines Verbands, ein Gewässer zu unterhalten, keine drittschützende Wirkung, sondern dient nur dem Allgemeininteresse. Der Bundesgerichtshof bejaht einen solchen Drittschutz aber, wenn die Gewässerunterhaltungspflicht mit der Verkehrssicherungspflicht deckungsgleich ist. So etwa, wenn bei einer unterlassenen Gewässerschau unbedingt aufgefallen wäre, dass eine Gefahr für das anliegende Grundstück droht. 

Bach überschwemmt Grundstück

Ein Bach verlief innerhalb einer Ortschaft teils oberirdisch, wie auf dem Grundstück des Klägers, teils unterirdisch durch Rohre. Für das Gewässer war ein Unterhaltungsverband zuständig, er war dafür verantwortlich, das Gewässer regelmäßig zu überprüfen; allerdings nur überirdisch, nicht für die Beschaffenheit der unterirdischen Durchlässe. Am 02.06.2016 gab es einen Starkregen, der den Bach überlaufen ließ und auf dem Grundstück einen Schaden von rund 20.000 Euro verursachte. Der Grundstückseigentümer forderte nun vom Unterhaltungsverband Schadensersatz. Er behauptete unter anderem, der Verband habe schon seit Jahren nicht mehr nach dem Gewässer geschaut. Das LG Magdeburg gab der Klage statt, seine Entscheidung wurde vom OLG Naumburg gehalten. Der Verband erhob die Revision zum BGH – mit Erfolg.

Drittschutz durch Unterhaltungspflicht?

An sich dienen die Normen, die den Unterhaltsverband dazu verpflichten, die Gewässer zu unterhalten, nur der Allgemeinheit, so der BGH. Daher hätten Drittbetroffene grundsätzlich keinen Anspruch auf Haftung bei einer diesbezüglichen Pflichtverletzung des Verbands. Der BGH urteilte nunmehr aber weitergehend: Soweit sich die Unterhaltspflicht des Verbandes mit der Verkehrssicherungspflicht decke, könne doch der drittschützende Charakter der Unterhaltungspflicht bejaht werden.  

 Zurückverweisung der Sache

Das OLG Naumburg hat nach Ansicht des BGH Fehler bei der Beweiserhebung und Bewertung gemacht, so dass die Sache erneut geprüft werden muss. So sei nach dem festgestellten Sachverhalt die Unterhaltungspflicht des Beklagten nur für oberirdische Gewässer gegeben, nicht aber für die Rohrdurchlässe. Dem Beklagten könne also nur dann eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden, wenn ihm bei einer (oberirdischen) Gewässerschau hätte ins Auge fallen müssen, dass durch die Rohrdurchlässe eine Gefahr drohe. In diesem Fall könne der Grundeigentümer einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 34 Satz 1 GG geltend machen. Dazu müsste dem BGH zufolge aber zunächst festgestellt werden, dass der Verband die Gewässerschau überhaupt pflichtwidrig unterlassen hatte. Diesbezüglich trage der Grundstückseigentümer die Darlegungs- und Beweislast. Auch habe das Gericht wohl rechtsfehlerhaft angenommen, dass bei einer Sichtkontrolle aufgefallen wäre, dass die Gefahr der Überschwemmung bestanden hatte. Damit habe es sich wahrscheinlich nicht vorhandene Sachkunde angemaßt. 

BGH, Urteil vom 01.12.2022 - III ZR 54/21

Redaktion beck-aktuell, 26. Januar 2023.