Bestimmung des wettbewerbsrechtlichen Streitgegenstands

Wird ein Antrag auf Unterlassen irreführender Werbung mit einem Sachverhalt begründet, der mehrere Tatbestände erfüllen könnte, muss das Gericht alle in Betracht kommenden Wettbewerbsregeln berücksichtigen. Der Streitgegenstand umfasst immer sowohl den Klageantrag als auch den vorgetragenen Sachverhalt. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25.06.2020 entschieden.

LTE-Highspeed gab es nicht

Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein stritt sich mit der 1&1 Telecom GmbH um deren Werbung für Mobilfunkprodukte: Diese wurden unter anderem damit beworben, mit "LTE-Geschwindigkeit" Daten zu übertragen. Die maximale Übertragungsgeschwindigkeit im LTE-Netz ist 300 Mbit/s. Erst im Kleingedruckten erfuhr der Kunde, dass er seine Daten tatsächlich nur mit einem Übertragungstempo von maximal 21,6 Mbit/s herunterladen konnte. Die Verbraucherschützer beantragten, der GmbH aufzugeben, diese irreführende Werbung zu unterlassen. In der Klagebegründung stützten sie ihre Forderung zum einen auf die Irreführung der Kaufinteressenten durch die Behauptung, die Daten würden mit LTE-Geschwindigkeit übertragen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UWG). Zum anderen monierten sie das Vorenthalten der wesentlichen Produktinformation - der tatsächlichen Übertragungsrate - nach § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG. Während das Landgericht Koblenz der Verbraucherzentrale folgte, wies das OLG Koblenz die Klage ab, weil es keinerlei irreführende Handlung nach § 5 Abs. 1 UWG erkennen konnte. Die Revision vor dem Bundesgerichtshof war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung.

Streitgegenstand nicht ausreichend bestimmt

Die Richter des Oberlandesgerichts nahmen dem I. Zivilsenat zufolge fälschlicherweise an, sie dürften die Vorenthaltung der tatsächlichen Downloadgeschwindigkeit nach § 5a UWG nicht prüfen, weil der Klageantrag auf das Unterlassen der Werbung mit LTE-Geschwindigkeit gerichtet gewesen war. Der Klagegegenstand bestimme sich jedoch nicht nur durch den konkreten Antrag, sondern auch durch den Sachverhalt, aus dem die klagende Partei die begehrte Rechtsfolge herleite. Hier habe die Verbraucherzentrale in ihrer Begründung sowohl die Werbung mit der LTE-Datenübertragung als auch die unterlassene Information über die tatsächliche Downloadgeschwindigkeit gerügt, so der BGH. In diesem Fall sei es dem Gericht überlassen, zu bestimmen, auf welchen Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt werde. Aus Sicht der Karlsruher Richter ist es nicht notwendig, für jede Angriffsrichtung einen eigenen Klageantrag zu stellen, wenn für die Irreführung des Verbrauchers zwei Kehrseiten derselben Handlung verantwortlich sind. Das Oberlandesgericht muss nun aufklären, ob ein Wettbewerbsverstoß durch unzureichende Informationen vorgelegen hat.

Die Parteibezeichnung der Beklagten und des Produkts wurden am 29.09.2020 korrigiert.

BGH, Urteil vom 25.06.2020 - I ZR 96/19

Redaktion beck-aktuell, 22. September 2020.