Beginn des Kündigungsverbots für schwangere Arbeitnehmerinnen
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Das Kündigungsverbot im Mutterschaftsgesetz beginnt auch weiterhin 280 Tage vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin. Dieser Zeitraum stellt laut Bundesarbeitsgericht die äußerste zeitliche Grenze dar, innerhalb derer eine Schwangerschaft vorliegen kann. Soweit die Mitteilungsfrist unverschuldet versäumt worden sei, müsse dies unverzüglich beim Arbeitgeber nachgeholt werden.

Streit um den Zeitpunkt der Schwangerschaft

Eine hauswirtschaftliche Helferin in der Probezeit wehrte sich gegen die ordentliche Kündigung ihrer Arbeitgeberin. Das Schreiben ging ihr am 07.11.2020 zu. Am 02.12.2020 teilte sie dem Arbeitsgericht mit, in der sechsten Woche schwanger zu sein. Das Unternehmen erfuhr davon erst am 07.12.2020 mit der Abschrift, in der eine Schwangerschaftsbestätigung einer Frauenärztin vom 26.11.2020 beigefügt war. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens legte die Hauswirtschaftlerin eine weitere Bescheinigung vor. Dort war der voraussichtliche Geburtstermin mit 05.08.2021 angegeben. Die werdende Mutter hielt die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot nach § 17 Abs. 1 MuSchG für unwirksam. Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs sei sie bereits schwanger gewesen.

LAG: Durchschnittliche Schwangerschaftsdauer von 266 Tagen ist entscheidend

Die Kündigungsschutzklage scheiterte sowohl beim ArbG Heilbronn als auch beim LAG Baden-Württemberg. Der voraussichtliche Entbindungstermin könne nur 266 Tage zurückgerechnet werden. Die vom BAG angewandte Rückrechnung um 280 Tage sei mit typischen Schwangerschaftsverläufen nicht in Einklang zu bringen. Die Revision der Entlassenen beim BAG hatte Erfolg.

Frühestmöglicher Zeitpunkt ist maßgebend

Das BAG verwies die Sache ans LAG zurück. Dem BAG zufolge wird der Beginn des Kündigungsverbots aus § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG bei natürlicher Empfängnis in entsprechender Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 MuSchG in der Weise bestimmt, dass vom ärztlich festgestellten mutmaßlichen Tag der Entbindung um 280 Tage zurückgerechnet wird. Dieser Zeitraum umfasse die mittlere Schwangerschaftsdauer. Er markiere die äußerste zeitliche Grenze, innerhalb derer bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft vorliegen könne. Diese Auslegung stehe im Einklang mit dem Unionsrecht. Das in Art. 10 Nr. 1 Mutterschutzrichtlinie vorgesehene Kündigungsverbot solle verhindern, dass sich die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit dem Zustand der schwangeren Arbeitnehmerin in Verbindung stehen, schädlich auf ihre physische und psychische Verfassung auswirken könne. Daher sei vom frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft auszugehen, um die Sicherheit und den Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu gewährleisten. Diese Berechnungsmethode beruhe im Gegensatz zur Ansicht des LAG weder auf „Vermutungen“ noch handele es sich um eine „Fiktion“.

Unverschuldete Fristüberschreitung ist klärungsbedürftig

Ob die Arbeitnehmerin die rechtzeitige Mitteilung der Schwangerschaft nach § 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG unverschuldet versäumt habe, müsse das LAG nunmehr prüfen. Sollte sie davon erst am 26.11.2020 erfahren haben, hätte sie dies bei der Arbeitgeberin noch unverzüglich nachholen können.

BAG, Urteil vom 24.11.2022 - 2 AZR 11/22

Redaktion beck-aktuell, 26. Januar 2023.