BGH: Anfechtung eines privaten Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung

GVG § 17a IV 4; VVG § 22; BGB § 123; SGB XI §§ 23 I, 110

Nach dem Bundesgerichtshof fällt ein Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Anfechtung eines privaten Pflegeversicherungsvertrages in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit.

BGH, Beschluss vom 12.09.2018 - IV ZB 1/18 (OLG Dresden), BeckRS 2018, 22807

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther
BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 20/2018 vom 04.10.2018

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Sachverhalt

Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung des Fortbestehens der Krankenvoll- und eingeschlossenen Pflegepflichtversicherung. Soweit das Verfahren abgetrennt wurde, beschränkt sich die Feststellung im vorliegenden Fall darauf, dass der Pflegeversicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn ab 01.08.2016 zwischen den Parteien fortbesteht und nicht durch die von der Beklagten erklärte Anfechtung vom 22.07.2016 beziehungsweise dem hilfsweise erklärten Rücktritt und der Kündigung beendet worden ist. Das Landgericht hat mit Beschluss das Verfahren nicht nur abgetrennt, sondern das abgetrennte Verfahren bezüglich des Pflegeversicherungsschutzes an die Sozialgerichtsbarkeit verwiesen. Das LG half der hiergegen gerichteten Beschwerde nicht ab. Das Oberlandesgericht Dresden wies die daraufhin erhobene Beschwerde zurück.

Rechtliche Wertung

Die Rechtsbeschwerde des Klägers wies der BGH mit vorliegendem Beschluss zurück. Er ist der Ansicht, dass nach § 51 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit S. 1 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung nach dem SGB XI entscheiden.

Zutreffend sei zwar, dass in § 110 Abs. 4 SGB XI lediglich die Beschränkungen des Kündigungs- und Rücktrittsrechts normiert sind und sich die Wirksamkeit einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach zivilrechtlichen Vorschriften (unter anderem § 22 VVG, §§ 123 f. BGB) richtet. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die Zivilgerichte über eine Anfechtung zu entscheiden haben.

Nach dem BGH ist die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anzuwenden, nach welcher es für die Rechtswegzuweisung entscheidend darauf ankomme, ob die Vorschriften – die zur Klärung der streitigen Rechtsfragen heranzuziehen und auszulegen sind – zumindest im Grundsatz im SGB XI geregelt sind. Im Grundsatz sei die Frage der Beendigung des privaten Pflegeversicherungsvertrages in § 110 Abs. 4 SGB XI geregelt. Dass die Anfechtung dort nicht normiert worden sei, sondern eines Rückgriffs auf das BGB bedürfe, könne für die Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit keine Bedeutung haben. Es sei nicht sachdienlich, in dieser Frage danach zu differenzieren, ob eine Kündigung, ein Rücktritt oder eine Anfechtung erklärt worden sei.

Praxishinweis

Mit dem vorliegendem Beschluss folgt der BGH bei der Gesetzesauslegung der vorhandenen Rechtsprechung und Literatur zu diesem Thema (vgl. BT-Drs. 14/5943, S. 24; BVerfG, Beschluss vom 31.01.2008 – 1 BvR 1806/02, NVwZ 2008, 772; BSGE 79, 80 = BSG, Urteil vom 08.08.1996 – 3 BS 1/96, VersR 1998, 486; BSG, Urteil vom 28.09.2006 – B 3 P 3/05 R, VersR 2007, 1074 Rn. 9; OLG Celle, Beschluss vom 03.07.2018 – 8 W 24/18, BeckRS 2018, 14916; OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.08.2016 – 7 W 37/16, r+s 2017, 111; KG, Beschluss vom 24.02.2015 – 6 W 12/15, VersR 2016, 138; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 51 Rn. 27). Der BGH hat sich insbesondere wegen der Beschwerdebegründung genötigt gesehen klarzustellen, dass sich die Senatsentscheidung zur Pflegeversicherung – Senatsurteil vom 07.12.2011 – IV ZR 105/11, BGHZ 192, 67 Rn. 28 ff. = IBRRS 2012, 0533 – nicht dazu eigne, Schlüsse zur Rechtswegzuweisung zu ziehen, da bei dieser Entscheidung dem Senat die Überprüfung der Rechtswegzuständigkeit gemäß § 17a Abs. 5 GVG entzogen war.

Redaktion beck-aktuell, 12. Oktober 2018.