BFH befragt EuGH zu Umsatzsteuerbefreiung für medizinische Hotline

Der Bundesfinanzhof hat Zweifel, ob telefonische Beratungsleistungen, die eine GmbH im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen durch "Gesundheitscoaches" ausführt, als Heilbehandlungen gelten können. Er hat deshalb mit Beschluss vom 18.09.2018 den Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung gebeten (Az.: XI R 19/15).

Arzt bei etwa einem Drittel der Fälle hinzugezogen

Im Streitfall betrieb die Klägerin im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen ein sogenanntes Gesundheitstelefon zur Beratung von Versicherten in medizinischer Hinsicht. Sie führte zudem Patientenbegleitprogramme durch, bei denen bestimmte Versicherte auf der Basis von Abrechnungsdaten und Krankheitsbildern über eine medizinische Hotline situationsbezogene Informationen zu ihrem Krankenbild erhielten. Die telefonischen Beratungsleistungen wurden durch Krankenschwestern und medizinische Fachangestellte erbracht, die größtenteils auch als "Gesundheitscoach" ausgebildet waren. In circa einem Drittel der Fälle wurde ein Arzt hinzugezogen, der die Beratung übernahm beziehungsweise bei Rückfragen Anweisungen oder eine Zweitmeinung erteilte. Nach Art. 132 Abs. 1c der Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (RL 2006/112/EG) sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, steuerfrei. Dem entspricht § 4 Nr. 14a Satz 1 UStG, der laut BFH entsprechend der Richtlinie auszulegen ist.

BFH sieht Voraussetzungen der Befreiungsvorschriften nicht als erfüllt 

Der BFH vertritt in dem Vorlagebeschluss die Auffassung, dass die im Rahmen des Gesundheitstelefons erbrachten Leistungen bei engem Verständnis der Befreiungsvorschriften nicht in deren Anwendungsbereich fallen: Es stehe weder fest, ob sich an die Beratung eine ärztliche Heilbehandlung anschließt, noch, ob sie als Erstberatung Bestandteil einer komplexen Heilbehandlung werden. Außerdem erfolge die Information der Anrufenden im Gegensatz zu den Patientenbegleitprogrammen nicht auf der Grundlage vorheriger medizinischer Feststellungen oder Anordnungen. Ferner sei fraglich, ob die für herkömmliche Heilbehandlungen von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten Qualifikationsmerkmale eines ärztlichen und arztähnlichen Berufs (Art. 132 Abs. 1c der Richtlinie 2006/112/EG) auch für solche Heilbehandlungen gölten, die ohne persönlichen Kontakt erbracht werden, oder ob es – beispielsweise für Leistungen im Bereich der Telemedizin – zusätzlicher Anforderungen bedarf.

EuGH soll Steuerfreiheit prüfen

Mit dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH soll damit vom EuGH geklärt werden, ob eine steuerbefreite Tätigkeit vorliegt, wenn ein Steuerpflichtiger (Unternehmer) im Auftrag von Krankenkassen Versicherte zu verschiedenen Gesundheits- und Krankheitsthemen telefonisch berät. Außerdem sei die Frage zu beantworten, ob es für den erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis ausreicht, dass die telefonischen Beratungen von "Gesundheitscoaches" (medizinischen Fachangestellten, Krankenschwestern) durchgeführt werden und (nur) in circa einem Drittel der Fälle ein Arzt hinzugezogen wird.

BFH, Beschluss vom 18.09.2018 - XI R 19/15

Redaktion beck-aktuell, 23. Januar 2019.