Berufsausübungsgesellschaften: Neue Regeln für Anwälte und Steuerberater
Lorem Ipsum
© Studio_East / stock.adobe.com

Bei der Gesellschaftsform für anwaltliche und steuerberatende Berufsausübungsgesellschaften soll es mehr Wahlfreiheit geben. Die Bundesregierung hat am 20.01.2021 den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe verabschiedet. Vorgesehen ist insbesondere die Modernisierung des Berufsrechts.

Gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit

Konkret sieht die Neuregelung vor, dass für die Berufsausübungsgesellschaften der Rechtsanwälte, der Patentanwälte und Steuerberater alle Europäischen Gesellschaften, Gesellschaften nach deutschem Recht und Gesellschaften in einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zulässigen Rechtsform zur Verfügung stehen sollen.

Berufsausübungsgesellschaften werden Träger von Berufspflichten

In Berufsausübungsgesellschaften hänge die Einhaltung der Berufspflichten durch die einzelnen Berufsträger häufig auch von der Organisation der Berufsausübungsgesellschaft selbst ab, betonte das Bundesjustizministerium in der entsprechenden Mitteilung. Daher sei es nicht sachgerecht, wenn nur die natürliche Person Adressat der Berufspflichten sei. Der Gesetzentwurf sehe deshalb vor, dass alle Berufsausübungsgesellschaften selbst Träger von Berufspflichten werden.

Neuregelung sieht Zulassungspflicht vor

Grundsätzlich sollen alle Berufsausübungsgesellschaften zukünftig zulassungspflichtig sein und Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwaltskammer beziehungsweise der Steuerberaterkammern werden. Die Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft ermögliche den Kammern insbesondere bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie bei interprofessionellen Gesellschaften eine Überprüfung, ob diese die für die Einhaltung der Berufspflichten erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Reine Personengesellschaften ohne Haftungsbeschränkung, denen nur Angehörige der rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Berufe angehören, sollen von der Zulassungspflicht jedoch ausgenommen werden.

Einheitliche Anforderungen an Gesellschafter- und Kapitalstruktur

Die bisherigen Mehrheitserfordernisse sollen entfallen. Diese seien nicht erforderlich, um die Einhaltung der Berufspflichten sicherzustellen. Die Absicherung der Einhaltung der Berufspflichten erfolge künftig dadurch, dass die Berufsausübungsgesellschaft ihnen unmittelbar unterliege.

Aufnahme in die von den Kammern geführten elektronischen Verzeichnisse

Durch Aufnahme in die von den Kammern geführten elektronischen Verzeichnisse werde insbesondere für die Rechtsuchenden transparent, wer Gesellschafter einer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaft ist und welchen Berufsgruppen diese angehören. Außerdem knüpfe das Gesellschaftspostfach an dieses Register an.

Erleichterung der interprofessionellen Zusammenarbeit

Die Möglichkeit der interprofessionellen Zusammenarbeit soll für Rechtsanwälte, Steuerberater sowie Patentanwälte auf alle Freien Berufe ausgeweitet werden. Für Rechtsanwälte soll nach Mitteilung des Ministeriums beispielsweise zukünftig die Möglichkeit bestehen mit einem Architekten oder einer Architektin zusammenzuarbeiten, wenn sie im Bereich des Baurechts beraten. Ein weiterer möglicher Anwendungsbereich sei die Zusammenarbeit mit Ärzten im Bereich des Medizinrechts oder die Zusammenarbeit mit Ingenieuren bei der Beratung im Anlagebau. Die interprofessionelle Zusammenarbeit stärke daher die Spezialisierung von Anwaltskanzleien.

Regelung der ausländischen Berufsausübungsgesellschaften

Es sollen zudem klare Regelungen für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch ausländische rechts- und patentanwaltliche Berufsgesellschaften mit Sitz außerhalb der Europäischen Union geschaffen werden.

Gesetzliche Regelung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen

Bisher wurde das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43a Absatz 4 BRAO beziehungsweise § 39a Absatz 3 PAO alleine durch die Satzungsregelung in den jeweiligen Berufsordnungen ausgestaltet. Nunmehr sollen die Grundsätze der Interessenkollision angesichts der grundlegenden Bedeutung der Berufspflicht detailliert gesetzlich geregelt werden. Für eine gesetzliche Regelung spreche auch die tatsächliche Entwicklung des Anwaltsmarktes, auf dem Verbünde immer größer und komplexer werden.

Öffentlichkeit der berufsgerichtlichen Hauptverhandlung

Die Vorschriften des § 135 BRAO, des § 120 PAO, des § 122 StBerG und des § 99 WPO, nach denen die Hauptverhandlung vor den jeweiligen Berufsgerichten derzeit nicht öffentlich ist, sollen aufgehoben werden. Diese Vorschriften stünden im Gegensatz zu dem Grundsatz, dass in der Bundesrepublik Deutschland Gerichtsverfahren insbesondere zur Wahrung der Transparenz grundsätzlich öffentlich seien, heißt es in der Mitteilung. Besondere Gründe, die für die Verhandlungen vor den Berufsgerichten Ausnahmen rechtfertigen könnten, bestünden nicht mehr, zumal auch bei den vergleichbaren Berufen (Beamte, Notare, Richter sowie Ärzte mit Ausnahme von vereinzelten landesgesetzlichen Ausnahmen) sowie in verwaltungsrechtlichen Verfahren nach der BRAO, der PAO und dem StBerG die gerichtlichen Verfahren öffentlich seien.

Stimmverteilung in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer

Die derzeitige in § 190 BRAO geregelte Stimmverteilung in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer sieht vor, dass jede der 28 Rechtsanwaltskammern eine Stimme hat, obwohl deren Größe zwischen 40 und mehr als 20.000 Mitgliedern differiert. Dies führe dazu, dass Rechtsanwälte großer Rechtsanwaltskammern in der Bundesrechtsanwaltskammer nicht hinreichend repräsentiert seien, obwohl die Bundesrechtanwaltskammer die Interessen der Rechtsanwaltschaft insgesamt wahrnehme, erläuterte das Bundesjustizministerium. Es soll daher eine neue Stimmverteilung vorgesehen werden, die sich einerseits an der Größe der Rechtsanwaltskammern orientiert, andererseits aber auch gewährleistet, dass kleineren Rechtsanwaltskammern ein relevantes Mitspracherecht verbleibe.

Redaktion beck-aktuell, 20. Januar 2021.