Berliner Senat bringt Mietendeckel auf den Weg

Der rot-rot-grüne Berliner Senat hat am 22.10.2019 den umstrittenen Mietendeckel auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Mieten für 1,5 Millionen vor dem Jahr 2014 gebaute Wohnungen fünf Jahre auf dem Stand von Mitte 2019 einzufrieren. Hintergrund sind die Wohnkosten in der Hauptstadt, die in den vergangenen Jahren stärker als anderswo in Deutschland gestiegen sind. Opposition und Immobilienwirtschaft laufen Sturm gegen das Vorhaben.

Mietobergrenzen - Anspruch auf Kappung überhöhter Bestandsmieten

Neben der Einfrierung der Mieten umfasst der "Gesetzentwurf zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung" (Mietendeckel) auch eine Tabelle mit Obergrenzen, die sich nach Baujahr und Ausstattung der Wohnung richten. Darin sind maximal 9,80 Euro Kaltmiete je Quadratmeter vorgesehen. Sie dürfen bei Neuvermietungen nicht überschritten werden. Bestandsmieten dürfen in Zukunft um nicht mehr als 20 Prozent über den Obergrenzen liegen. Andernfalls sollen Mieter eine Absenkung fordern können. Hierbei soll zusätzlich die Lage der Wohnung eine Rolle spielen.

Ausnahmen von Obergrenze 

In zwei Fällen dürfen Vermieter die Obergrenzen überschreiten. Wenn die Wohnung besonders hochwertig ausgestattet ist, könne sie nach jetzigem Stand einen Euro je Quadratmeter draufschlagen. Auch im Falle von Modernisierungen für mehr Klimaschutz und Barrierefreiheit soll ein Aufschlag von maximal einem Euro möglich erlaubt sein. Bei höheren Kosten - so der Plan - greifen Förderprogramme. Ab 2022 wird Vermietern zudem die Möglichkeit eingeräumt, jährlich 1,3 Prozent als Inflationsausgleich auf die Miete draufzuschlagen - allerdings nur dann, wenn sie die Obergrenzen damit nicht überschreiten.

Mietendeckel-Gesetz soll bis Ende Februar 2020 endgültig beschlossen sein

Bis voraussichtlich Ende Februar 2020 soll das Mietendeckel-Gesetz mit diversen flankierenden Regelungen endgültig vom Abgeordnetenhaus beschlossen sein und rückwirkend ab 18.06.2019 gelten. An jenem Tag hatte der Senat erst Eckpunkte beschlossen. Die Mietsenkungsregel wird neun Monate später kommen, also voraussichtlich Ende 2020. So soll Zeit bleiben, die Umsetzung vorzubereiten und in der Verwaltung dafür bis zu 250 zusätzliche Mitarbeiter einzustellen.

Müller verteidigt Gesetz

Die Immobilienwirtschaft kritisiert die Pläne seit der Grundsatzeinigung der Koalition in der Vorwoche heftig. Sie befürchtet unter anderem negative Auswirkungen auf den Wohnungsbau und auf Investitionen etwa in die Modernisierung. Bürgermeister Müller sieht das nicht so: "Wir sind nicht mit dem Kopf durch die Wand gegangen. Es ist ein sehr ausgewogenes Gesetzeswerk, das für viele eine konkrete Entlastung bedeutet.“ Gleichzeitig ermögliche es weiter Modernisierungen und Neubau.

Linke: Meilenstein im Kampf gegen Wohnungsspekulation 

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sagte: "Wer behauptet, dass Mietendeckel Neubau und Investitionstätigkeit bremst, hat Unrecht.“ Denn neue Wohnungen, die ab 2014 entstanden seien, seien vom Mietendeckel ausgenommen. Wohnungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) sprach von einem "Meilenstein, um Geldvermehrungsprozesse“ auf dem Wohnungsmarkt auf Basis von Spekulation zu stoppen.

Deutscher Mieterbund: Erholung für überhitzten Wohnungsmarkt

Der Deutsche Mieterbund lobte Berlin für seinen Vorstoß. "Der völlig überhitzte Berliner Wohnungsmarkt bekommt eine Chance, sich zu erholen“, erklärte Geschäftsführer Ulrich Ropertz. "Das Berliner Mietendeckel-Gesetz ist die erste öffentlich-rechtliche Mietpreisbegrenzung in Deutschland. Berlin betritt damit juristisches Neuland.“ Das Vorgehen sei notwendig, weil die Bundespolitik bisher keine wirksamen Maßnahmen zur Begrenzung der Mieten getroffen habe.

CDU kündigt Normenkontrollklage an

Die CDU, unter anderem ihr Berliner Vorsitzender Kai Wegner, kündigte Klagen etwa vor dem Verfassungsgericht an. Der Mietendeckel mit seinem Eingriff in Eigentumsrechte sei rechtlich unzulässig und werde dem Senat "um die Ohren fliegen“. Der Senat zeigte sich hingegen überzeugt, einen "rechtssicheren“ Weg zu gehen. "Eingriffe und Regulierungen gehören zur sozialen Marktwirtschaft“, so Senatorin Pop. Es gehe nicht um Rückkehr zur Planwirtschaft.

Berliner Mieten innerhalb von 10 Jahren verdoppelt

Hintergrund ist der angespannte Wohnungsmarkt in der Hauptstadt. In manchen Stadtteilen haben Normalverdiener kaum noch eine Chance, eine bezahlbare Bleibe zu finden. Die Mieten für freie Wohnungen haben sich bis 2018 innerhalb von zehn Jahren laut Bundesbauministerium auf durchschnittlich 11,09 Euro je Quadratmeter nettokalt verdoppelt. Das Portal Immowelt kommt für 2019 auf 11,60 Euro. Der Mietanstieg in Berlin ist damit stärker als anderswo in Deutschland - auch wenn das Mietniveau in München oder Frankfurt/Main weiterhin höher ist. Diese Entwicklung sorgt für viele aufgeheizte Debatten in der Hauptstadt. Eine Initiative hat sogar ein in Deutschland bisher einmaliges Volksbegehren für die Enteignung großer Wohnungskonzerne angestrengt.

Redaktion beck-aktuell, Stefan Kruse, 23. Oktober 2019 (dpa).