Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München
Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 24/2019 vom 05.12.2019
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Sachverhalt
Der Betroffene wurde vom Amtsgericht wegen des fahrlässigen Missachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage verurteilt, wobei die Rotphase bereits länger als eine Sekunde angedauert haben soll. Der Betroffene wurde zu einer Geldbuße von 200 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt.
Das Amtsgericht hatte zur Begründung des Verstoßes nach Nr. 132.3 BKat ausgeführt, dass der Verstoß von einem zur Überwachung dieser Ampelanlage tätigen Polizeibeamten beobachtet worden sei. Dieser habe von seiner Position auf dem Fahrersitz des Dienstfahrzeugs Ampel und Haltelinie deutlich sehen können. Als das klägerische Fahrzeug die Haltelinie überfuhr, habe die Lichtzeichenanlage bereits seit 1,49 Sekunden Rotlicht gezeigt. Die Zeit habe er nicht mit einer geeichten Stoppuhr gemessen, sondern mit seinem Handy, führte der Polzist aus. Dies sei zuverlässig.
Gegen die AG-Entscheidung legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein und rügte die Verletzung materiellen Rechts. Mit der Rechtsbeschwerde hat der Betroffene – zumindest derzeit – Erfolg. Das amtsgerichtliche Urteil wurde aufgehoben und die Sache mit den dazugehörigen Feststellungen ans Amtsgericht zurückverwiesen.
Rechtliche Wertung
Mit der getroffenen Begründung lässt sich nach Ansicht des Rechtsbeschwerdegerichts die Verurteilung nicht tragen. Zunächst einmal fehlten im Urteil alle möglichen Umstände, die zu berücksichtigen seien, wie etwa die Witterungsverhältnisse.
Über einen möglichen Messfehler könne nicht entschieden werden, weil noch nicht einmal der Typ des verwendeten Handys mitgeteilt worden sei. Darüber hinaus sei nicht mitgeteilt worden, ob schon einmal Vergleichsmessungen durchgeführt worden seien. Zwar sei es nicht erforderlich, an Urteile im Bußgeldverfahren übertrieben hohe Anforderungen zu stellen. Der Begründungsaufwand könne sich auf das rechtstaatlich unverzichtbare Maß beschränken. Allerdings müsse das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage versetzt werden nachzuprüfen, ob die Rechtsanwendung richtig erfolgt sei. Deshalb seien die vorhandenen Unklarheiten auf Lücken und Verstöße gegen gesicherte Erfahrungssätze hin zu überprüfen.
Darüber hinaus weist der Bußgeldsenat darauf hin, dass die Messung zwar nicht deshalb unverwertbar ist, weil die verwendete Stoppuhr oder die entsprechende Einrichtung auf dem Handy nicht geeicht war. Die Eichpflicht garantiere eine qualitative Sicherung der Messung. Auch wenn ein Gerät nicht geeicht sei, könne aus der Messung gleichwohl der ein oder andere Schluss gezogen werden und die Entscheidungen seien beweisverwertbar. Allerdings müssten dann Sicherheitsabschläge vorgenommen werden.
Selbst bei einer geeichten Stoppuhr habe der Tatrichter vom gemessenen Wert einen über den Toleranzabzug von 0,3 Sekunden hinausgehenden Sicherheitsabzug vorzunehmen, der Ausgleich etwaiger Ungenauigkeiten sein soll. Hier aber habe das Amtsgericht nur einen Toleranzabzug von 0,3 Sekunden vorgenommen. Bei einer nicht geeichten Stoppuhr hätte allerdings ein weiterer Toleranzabzug vorgenommen werden müssen. Ob dann noch von einem qualifizierten Rotlichtverstoß gesprochen werden könne, müsse das Amtsgericht prüfen.
Praxishinweis
Die Entscheidung wird hier vorgestellt, weil sie sehr wesentlich ist. An die 0,3 Sekunden Toleranzabzug hat sich die Praxis gewöhnt. Dieser Toleranzabzug wird in der Regel auch eingehalten. Allerdings verlangt der Bußgeldsenat bei der Handmessung und noch dazu bei der Messung mit einem nicht geeichten Handy einen weiteren Sicherheitsabschlag. Dieses ist in der hier vorliegenden Deutlichkeit bisher noch nicht entschieden gewesen.