Bayern: Verschärftes Polizeirecht tritt in Kraft

Eineinhalb Wochen nach der Verabschiedung im Landtag tritt die Verschärfung des bayerischen Polizeirechts am 25.05.2018 in Kraft. Dann genügen schon Gefahr oder drohende Gefahr, um Überwachung und andere polizeiliche Maßnahmen wie etwa DNA-Tests und Online-Durchsuchungen einzuleiten. Ein konkreter Verdacht muss nicht mehr vorliegen. Allerdings muss die Polizei die Maßnahmen in der Regel bei einem Richter beantragen, nur in Einzelfällen dürfen höhere Polizeibeamte selbst entscheiden.

Gesetz könnte vor BVerfG landen

Das noch unter Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) auf den Weg gebrachte Gesetz dürfte allerdings schon bald vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof überprüft werden und landet womöglich auch vor dem Bundesverfassungsgericht. SPD und Grüne im Bayerischen Landtag haben jedenfalls Verfassungsklage angekündigt. "Wir verteidigen den Freistaat Bayern gegen das illiberale Gesetz der CSU", sagte SPD-Landeschefin Natascha Kohnen am 24.05.2018 in München. Nach Kohnens Auffassung beschneidet das Gesetz "die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger in einer für unsere Demokratie unerträglichen Weise und begegnet ihnen mit tiefem Misstrauen". Seehofer – inzwischen Bundesinnenminister – sieht das Gesetz indessen als Vorbild für die neuen Polizeiaufgabengesetze aller Bundesländer.

Verfassungsrechtler soll über Umsetzung wachen

Seehofers Nachfolger im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten, Markus Söder (CSU), hatte das verschärfte Polizeirecht bei der abschließenden Debatte am 15.05.2018 vehement verteidigt: "Es wird Leben retten, es wird Menschen helfen, nicht zu Opfern zu werden." Über die Umsetzung des Gesetzes soll eine Kommission unter Vorsitz des angesehenen Verfassungsrechtlers Karl Huber wachen, einst Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.

Missachtung des Bürgerwillens vorgeworfen

SPD und Grüne werfen der CSU vor, das Gesetz unter Missachtung des Bürgerwillens durchgepeitscht zu haben. Auch die zum bürgerlich-konservativen Lager zählenden Freien Wähler sind kritisch. Bei einer Demonstration gingen in München Zehntausende vor allem junge Menschen gegen das schärfere Polizeirecht auf die Straße.

Leutheusser-Schnarrenberger hält Gesetz für verfassungswidrig

In Fachkreisen sind die Meinungen über das Polizeiaufgabengesetz geteilt. Bei einer Landtagsanhörung im Frühjahr hatten einige Polizeirechtsexperten keine grundlegenden Einwände. Auch die Polizeigewerkschaften halten das Gesetz für angemessen. Jedoch äußerte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zuletzt Zweifel an der Akzeptanz des Gesetzes in der Bevölkerung. Die einstige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hält das Gesetz für verfassungswidrig.

Redaktion beck-aktuell, 25. Mai 2018 (dpa).